Ulysses Moore – Die Häfen des Schreckens

Titel: Ulysses Moore – Die Häfen des Schreckens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierdomenico Baccalario

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Oblivia Spencer die von Thos Bowen gezeichnete Karte, die sie die ganze Zeit über dabeigehabt hatte.«
    »Und du …?«, fragte Kalypso.
    »Ich und die vier Trommler mussten als Geiseln der Affen hierbleiben. Wir sind so lange Gefangene, bis Spencer mit ihrem König zurückkommt.«
    »Glaubst du denn, dass Spencer ihn zurückbringt?«, fragte Kalypso weiter.
    »Das ist meine einzige Hoffnung«, sagte der Mann, der einst die einzige Schule von Kilmore Cove geleitet hatte und jetzt nur noch ein Schatten seiner selbst war.
    Sie sprachen noch eine Weile miteinander. Marriet versicherte dem Leuchtturmwärter und seiner Frau, dass sie gehen konnten, wenn sie wollten. Er aber dürfe das Dorf erst dann verlassen, wenn der Affenkönig zurückgekehrt war.
    Es wurde Abend. Marriet bot ihnen ein Abendessen und einen Schlafplatz an. Doch Kalypso lehnte ab. Sie wollte lieber in dem Mangrovensumpf schlafen als an diesem Ort, an dem fünf Männer unter einem Galgen auf ein Schiff warteten, das niemals kommen würde.
    »Ihr müsst mit uns fliehen!«, meinte die Buchhändlerin. »Wir haben ein Boot. Es ist ganz in der Nähe.«
    Doch Marriet war viel zu müde und zu schwach, um an Flucht zu denken. »Die Affen lassen uns nicht aus den Augen! Sie würden uns niemals gestatten, das Dorf zu verlassen!«
    Es schien eine ausweglose Situation zu sein: Kalypso wollte die Geiseln nicht hier zurücklassen, und Leonard wäre bereit gewesen, die Affen zu töten, einen nach dem anderen.
    »Nein, das brauchst du doch nicht«, erwiderte Marriet, als Leonard ihm das sagte. »Ich würde für dich nicht dasselbe tun.«
    »Wir sind eben verschieden«, erwiderte der Leuchtturmwärter. »Jeder ist so, wie er ist. Und ich kann dich nicht hier deinem Schicksal überlassen.«
    Zu guter Letzt schliefen sie alle in dem Dorf, nachdem sie sich vorgenommen hatten, bei Sonnenaufgang des folgenden Tages eine Entscheidung zu treffen.
    Doch als der neue Tag anbrach, erlebten sie eine Überraschung.
    Sie wurde von dem Staubwirbel angekündigt, der in der Mitte des Dorfes aufstieg, und von den Schreien der Affen. Leonard und Kalypso kamen als Erste aus ihrer Hütte, um nachzusehen, was los war.
    Sie schauten sich um und bemerkten erst nach einigen Augenblicken den großen Schatten, der sich vor die Sonne geschoben hatte.
    »Was ist das denn?«, fragte Leonard verblüfft.
    Die Affen kreischten panisch durcheinander. Kalypso klammerte sich erschrocken an ihren Mann.
    Ursus Marriet hinkte aus seiner Hütte und sah angsterfüllt zum Himmel auf.
    Über ihren Köpfen flog ein Schiff dahin. Ein Katamaran, dessen Segel sich im Wind blähten.
    Menschen und Affen sahen zu, wie das Schiff wendete, abermals über sie hinwegflog und schließlich in ausladenden Kreisen zu Boden schwebte.
    »Hast du so etwas schon einmal gesehen?«, fragte die Buchhändlerin ihren Mann.
    Leonard schüttelte langsam den Kopf. Nein, er hatte noch nie so etwas gesehen und auch noch niemals von etwas Derartigem gehört.
    Am Bug des fliegenden Katamarans erblickten sie eine Frau mit langem schwarzem Haar und einem Nasenring, der durch ein Kettchen mit einem auffälligen Ohrgehänge verbunden war. Sie schaute sie einen nach dem anderen an und hob grüßend einen Arm.
    »Wer von euch ist Häuptling dieses Dorfes?«, fragte sie.
    Direktor Marriet hinkte auf sie zu. »Das könnte ich sein, wenn das hier wirklich ein Dorf wäre.«
    »Ich bin Pandora, die Herrin der Stürme. Und das ist mein Schiff, das auf den Unwettern segelt.«
    Marriet hustete. Dann entgegnete er: »Ich bin niemand mehr, und das hier ist der Ort, an dem zu sterben ich verurteilt bin. Was immer ihr auch sucht, hier werdet ihr es nicht finden. Es sei denn, ihr seid auf der Suche nach Wasser und gekochten Wurzeln.«
    »Wir suchen die Mary Grey «, erklärte Pandora. »Kapitän Spencers Schiff. Wir haben gehört, dass es sich hier in der Gegend befinden soll.«
    »Dann fürchte ich, Sie sind zu spät gekommen, Madame«, kam Leonard Marriet zuvor. »Kapitän Spencer ist schon vor vielen Wochen abgereist.«
    »Dann sagt mir: Ist eine Frau bei ihm?«, rief eine Stimme vom Schiff herunter.
    »Ja«, antwortete Marriet. »Die Frau, die Spencer die Route nach Kilmore Cove verriet.«
    »Das ist unmöglich!«, donnerte die Stimme.
    Auf dem Katamaran bewegte sich etwas. Dann kamen hinter Pandora zwei weitere Passagiere zum Vorschein.
    »Mich soll doch gleich der Schlag treffen!«, rief Leonard Minaxo aus, dem die Stimme sofort bekannt vorgekommen war.