und das Goldene Dreieck
vom Fluß«, entgegnete Bonchoo. »Entlang der Flüsse ist der Dschungel wie eine Wand, sehr dunkel, sehr dicht, sehr angsteinflößend, aber er hat mich immer interessiert. Einmal unterhielt ich mich mit einem Mann, der so etwas studierte, ich meine, so etwas wie die Geister der gelben Blätter und unsere Kultur. Er zeigte mir, daß hinter der Wand - und man braucht ein Buschmesser, um hindurchzukommen - all das ist...« Er breitete die Arme aus. »Und jetzt führen mich manchmal meine Geschäfte durch den Dschungel. Nun weiß ich, daß er recht hat. Nur einmal habe ich mich verirrt, aber - nicht so wichtig, das ist eine andere Geschichte.«
Mrs. Pollifax fragte sich, ob sie es wagen konnte, die Schuhe auszuziehen, aber dann befürchtete sie, daß sie vielleicht nicht mehr hineinkam. »Sie sagten, Sie seien Student der Bangkoker Universität gewesen, Bonchoo.«
»Stipendiat«, erwiderte er lächelnd. »Können Sie sich vorstellen, daß wir drei Jahre lang, ab 1973, echte Demokratie versucht haben in unserem Land? Sie begann mit der ›Oktoberrevolution‹, wie die damaligen Unruhen jetzt genannt werden. Sie änderte viel, und dadurch konnte ich - ein armer Bauernjunge aus einem Dorf in der Nähe von Chiang Säen - die Thammasat-Universität in Bangkok besuchen, wo eigentlich nur reiche Leute studieren.«
Mornajay blickte ihn überrascht an.
»Wie wenig ich doch über Ihr Land weiß«, gestand Mrs. Pollifax. »Was war diese ›Oktoberrevolution‹?«
»Es war das erste Mal, daß es zur Rebellion kam«, erklärte Bonchoo. »Es war das erste Mal, daß es bei uns zu Studentenunruhen kam. Die Studenten forderten Demokratie und die Auflösung der Militärdiktatur - und diese Studenten waren sogar die Kinder von Regierungsbeamten! Sie hatten erkannt, wie arm der Rest des Landes war, also marschierten und protestierten sie. Die Regierung hörte sie und bekam Angst. General Kittikachorn, der Ministerpräsident, trat mit seiner Regierung zurück und wir bekamen eine Zivilregierung.«
»Und so kam es, daß Sie in Bangkok studieren durften?«
Er nickte. »Ja, 1975 kam ich nach Bangkok - es war ein Wunder und ein Wunderland für mich, das dürfen Sie mir glauben. Nur leider war es nicht von Dauer«, sagte er traurig. »Die Militärs wollten keine Demokratie, denn dur ch sie verloren sie die Führung, ihre Stellungen und ihre Macht, deshalb taten sie sich zusammen und schmiedeten Ränke, und 1976 kam es zum Putsch.« Er schluckte. »Drei Jahre organisierten sie den wie nennen sie es? - den rechten Flügel? Sie stellten ›Dorfkundschafter‹ auf und eine Gruppe Naklengs Rowdys -, die sie die Roten Gaur nannten. Es handelte sich bei ihnen hauptsächlich um Arbeitslose, die Studenten haßten. Schlimme Geschichten wurden für die Zeitungen erfunden, und man stellte die Studenten als Kommunisten hin. Jeder, der Kritik wagte, wurde Kommunist geschimpft.«
»Das Übliche«, warf Mrs. Pollifax trocken ein.
»Und dann«, fuhr Bonchoo ernst fort, »hatten wir ein Sit-in an der Thammasat. Nie werde ich das Datum vergessen - 16. Oktober 1976 -, jedes Jahr an diesem Tag denke ich daran. Es war ein friedliches Sit-in, wissen Sie? Nein!« Zu ihrer Überraschung sah sie Tränen in seinen Augen glänzen.
»Was ist passiert?« fragte sie leise.
»Die Polizei fiel über uns her.« Unwillkürlich fuhr seine Hand zu der langen Narbe auf seiner Wange. »Viele meiner Freunde wurden verletzt, und einige starben.« Er schüttelte bedrückt den Kopf. »Die Polizei umzingelte uns, sie warfen Granaten und schossen auf uns - mein Freund Charoon starb in meinen Armen, über und über voll Blut.«
Keine Elefanten und Tempelglocken und Tempeltänzerinnen, dachte Mrs. Pollifax, die die Qual in seiner Stimme hörte.
»Danach kehrte ich heim. Ich liebe mein Vaterland, aber ich glaube, es wird immer von Militärs regiert werden.« Er seufzte. »Ich denke viel darüber nach.«
»Und was denken Sie?« fragte sie weich.
»Daß wir viel Schuld haben«, antwortete er traurig. »Wir Thai sind ein sanftes Volk. Wir sind von unserer Vergangenheit geprägt. Wir hatten viele Fürsten und Könige und ein - ich weiß nicht, wie Sie es nennen - ein Herren-Sklaven-System? Wir verlassen uns auf Autorität, wir erwarten Schutz. Unser Gemeindevorsteher gibt uns Schutz, und wir sind bereit, ihm zu dienen, denn in der Gemeinde hat er das Geld und die Macht. Ich spreche aus Erfahrung, denn ich bin ein Phu yai ban in meiner Gemeinde...«
»Ein was?« unterbrach ihn Mrs.
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