Und ewig währt die Hölle (German Edition)
Decke, ehe er sich schließlich zu Gusev vorbeugte.
«Vermissen Sie Messer oder Beile aus Ihrer Sammlung?»
Sergej Gusevs dunkle Augen blitzten wachsam auf. Nur für eine Zehntelsekunde, aber Lykke genügte es.
«Ich bin kein Sammler. Für mich sind das Arbeitsgeräte, klar? Werkzeug. Wissen Sie denn, wie viele Schraubenzieher Sie in Ihrer Wohnung haben? Verstehen Sie, was ich sage?»
Lykke rutschte nach vorn an die Stuhlkante.
«Ich verstehe Sie ausgezeichnet. Aber bei mir hängen sie nicht an der Wand. Denken Sie noch einmal genau nach.»
«Ich weiß nicht, wie viele Messer ich habe. Manchmal nehme ich sie mit ins Restaurant, und manchmal nehme ich welche aus dem Restaurant mit nach Hause.»
«Zwei Wandhaken waren leer. Wie erklären Sie das?»
Lykke kniff die Augen zusammen und suchte nach Lücken in der ukrainischen Abwehr.
Gusev wechselte einen Blick mit dem Anwalt, der den Kopf schüttelte.
«Keine Ahnung. Ich erinnere mich nicht.» Zum zweiten Mal innerhalb der letzten vierundzwanzig Stunden streckte Gusev die Arme nach vorn und drehte die Handflächen nach oben. «Sperren Sie mich ein. Tun Sie es einfach.»
Lasse Viker stöhnte und sah demonstrativ zu Boden.
«Wir machen hier Schluss», sagte Lykke kurz und erhob sich.
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Kapitel 50
Rolf Lykke bog von der Esso-Tankstelle in Ryen auf die Straße. Es schneite immer noch, wenn auch nicht mehr so stark wie vor einigen Stunden. Er hatte getankt und ein Wiener Würstchen mit Senf verschlungen. Die Uhr am Armaturenbrett zeigte 19.22 Uhr. Er würde es gerade noch nach Hause schaffen, bevor Ida ins Bett ging. Ein Lichtblick in der Dunkelheit. Der Tag war völlig anders gelaufen als erwartet. Nach dem ergebnislosen Verhör von Gusev hatten sie seine «Wohnung» hinter der Küche des Restaurants durchsucht. Dort war es genauso schmutzig und trist wie erwartet. Pornomagazine, dreckige Klamotten und alte Programmhefte von Trabrennen. Kein einziges Messer, nicht mal ein Taschenmesser. Er hatte Parisa angewiesen, den Leuten von Telenor Dampf zu machen. Sie arbeiteten mit dem Dating-Portal zusammen und hofften, in Kürze einen Treffer zu erzielen, was immer das heißen mochte.
Er rutschte auf dem Sitz zurecht. Die Rückenschmerzen waren mit voller Wucht zurückgekehrt. Er blinkte, bog nach links in den Enebakkveien und passierte die Kirche von Manglerud. Was zum Teufel sollte er auf der Beerdigung von Darre bloß sagen? Er hatte acht Jahre mit seinem Kollegen zusammengearbeitet, und trotzdem wollte ihm ums Verrecken nichts Persönliches einfallen, um drei Minuten Redezeit zu füllen. Das Erste, woran er bei Darre dachte, war, dass er sich langsam bewegt hatte. Genau darüber hatte er sich oft geärgert. Ganz gleich, wie stressig eine Situation war, hatte es immer so gewirkt, als ginge Darre das alles nichts an. Er war durch die Korridore geschlendert wie zur besten Sommerurlaubszeit. Konnte er das erwähnen? Wenn er hinzufügte, dass so manch einer vielleicht gut daran täte, sich eine Scheibe von Darres zuweilen gemächlichem Lebensrhythmus abzuschneiden? Vielleicht?
Aber meinte er das auch so?
Lykke fuhr an der Polizeistation Manglerud vorbei. Ob ich hier meine Laufbahn beende?, dachte er. Abschnittsbeamter in Manglerud. Nicht, dass daran etwas auszusetzen war. Es war nur nichts für ihn. Er hatte nie begriffen, dass diese kleine Station für so viele Vororte verantwortlich war. Manglerud, Lambertseter, Bøler, Oppsal, Skullerud, Tveita … Allein in Manglerud lebten mehr Menschen als in einer mittelgroßen norwegischen Stadt.
In den sechziger Jahren hatten die Leute Schlange gestanden, um hier eine Wohnung zu bekommen. Auch Familie Lykke. Seine Mutter war seit 1956 Mitglied in der Wohnungsbaugenossenschaft OBOS gewesen, aber selbst das reichte nicht. Er erinnerte sich, wie sie davon gesprochen hatte, aus der engen Mietwohnung auszuziehen, wie sie von frischer Luft, grünem Gras, eigenem Bad und Balkon geschwärmt hatte. Besonders Letzteres fand sie unendlich verlockend. Einen Balkon. Er dagegen war heilfroh gewesen, als nichts daraus wurde. Lieber das Klo im Treppenhaus und ein bisschen Abgasgestank aus dem Åkebergveien, als raus aufs Land zu ziehen.
Lykke hielt vor dem grauen Garagentor und stellte den Motor aus. In der Küche brannte Licht, er konnte sehen, wie Sonja sich nach etwas im Hängeschrank streckte. Plötzlich hielt sie in der Bewegung inne und lächelte. Fuhr sich mit dem Unterarm über die Stirn. Idas Haarschopf
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