Und plotzlich ist es Gluck
Schwestern hält sie sich ziemlich bedeckt. Ich schicke Filly eine E-Mail mit der mageren Ausbeute meiner Recherchen und bitte sie, schon mal eine entsprechende Akte für Sofias Hochzeit anzulegen. Ich bin zu siebenundneunzig Komma fünf Prozent sicher, dass sie anrufen wird. Ich notiere mir die Zahl und male einen Kreis rundherum, so lange, bis die Spitze des Kugelschreibers ein Loch in das Blatt gegraben hat. Falls Sofia mich zu ihrer Hochzeitsplanerin ernennt, steigen meine Chancen auf die Beförderung. Natürlich nicht um siebenundneunzig Komma fünf Prozent. Das kann ich mir in Anbetracht von Gladys Montgomerys Machenschaften abschminken. Trotzdem sind meine Hoffnungen berechtigt. Angestrengt starre ich auf das Telefon und versuche, es mit der Kraft meiner Gedanken zum Klingeln zu bringen.
Vergeblich. Ich stehe auf und gehe zur gegenüberliegenden Wand, an der ein gerahmtes Foto der Marzoni-Sisters hängt, aufgenommen bei Marias Hochzeit vergangenen August.
Und zwar nachdem Isabella Marzoni, die älteste Schwester, beim Festmahl verkündet hatte, ihr Mann, mit dem sie damals seit zwei Jahren verheiratet war, sei ein verlogener, versoffener Hurensohn, der sie betrogen habe, weshalb sie ihn noch am selben Tag verlassen werde. Sie hatte sich einfach das Mikrofon geschnappt und mich mit bitterbösen Blicken bedacht, als ich versucht hatte, es ihr zu entwinden, als wäre ich das fiese, miese Schwein, das sie betrogen hatte, und nicht Paul, ihr Noch-Gatte, der auf seinem Stuhl an Tisch Nummer sechs kauerte und sich schützend ein Rosinenbrötchen vor die Brust gehalten hatte, als wollte er damit die verbalen Spitzen und Attacken der erzürnten Isabella abwehren.
Das Foto zeigt Isabella mit einer dünnen Zigarette in der Hand und dem Ansatz eines Lächelns im Gesicht, was hauptsächlich auf die zwei Valium zurückzuführen ist, die ich ihr verabreicht habe, nachdem ich sie aus dem Festsaal bugsiert hatte, weg von den irischen Gästen, die das Spektakel mit hängender Kinnlade verfolgt hatten. Die italienischen Gäste waren bedeutend weniger entsetzt gewesen, ja, sie hatten sogar den Eindruck erweckt, als hätten sie ihre Freude daran gehabt.
Auf dem Foto sind die fünf Schwestern dem Alter nach nebeneinander aufgereiht. Sie sind jeweils gerade mal neun Monate auseinander und so italienisch wie Makkaroni mit Käse. Mit ihren perfekten Frisuren und perfekten Zähnen könnten sie geradewegs einem Modemagazin entstiegen sein, so gesund und elegant und braungebrannt sehen sie aus. Ihr Teint erinnert an italienischen Kaffee mit einem
Schuss Milch. Sofia steht in der Mitte, den Blick abgewandt, mit der Miene eines Menschen, der im Geiste weit, weit weg ist.
Ich zwinge mich, zu meinem Schreibtisch zurückzukehren und meine E-Mails abzurufen. Bryan hat mir ein Rezept für eine »Trennungs-Pavlova« geschickt. Ich speichere das Rezept in meinem Rezepte-Ordner, allerdings unter dem neutralen Titel Pavlova-Baiser-Torte, für den Fall, dass sich Hacker Zugriff zu meinen Daten verschaffen. Muss ja nicht jeder wissen, dass es große Veränderungen in meinem Privatleben gegeben hat. Dann schreibe ich die Zutaten auf eine gelbe Haftnotiz – mit der linken Hand, damit es länger dauert – und lerne das Rezept auswendig. Als ich auf die Uhr sehe, sind vier Minuten verstrichen.
»Hat Sofia schon angerufen?«, erkundigt sich Filly später in der Küche.
»Nein.«
»Wie spät ist es?«
»Fünf nach fünf.«
»Noch früh also«, sagt Filly. »Fürs Fish-and-Chips-Business. «
»Und wenn schon. Ich gehe nach Hause.«
»Jetzt schon? Hast du neuerdings eine Teilzeitstelle, Scarlett?«
Wir wirbeln herum, obwohl ich nur zu gut weiß, wer es ist. Die hohe, belegte Stimme von Gladys Montgomery würde ich überall erkennen.
»Aber ich muss sagen, du siehst tatsächlich müde aus«, stellt sie fest, während sie eine Schachtel Rennies aus der Tasche kramt und sich eine Tablette in den Mund steckt. Sie kommt näher und hält uns die Schachtel unter die Nase.
»Wollt ihr auch eine?« Ihr Atem riecht nach Schulkreide – Kunststück, das ist heute bereits ihre fünfte Rennie. Gladys hat ein Gallenleiden. Wir schütteln den Kopf. Ich werfe einen Blick auf meine Armbanduhr und wette mit mir selbst, dass in den nächsten fünfzehn Sekunden der Name Tanya Forsythe fallen wird.
»Nicht zu fassen, dass sich Sofia Marzoni noch nicht gemeldet hat«, sagt Gladys und gibt sich Mühe, ihre Schadenfreude zu kaschieren.
»Sie wird schon noch
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