Undank Ist Der Väter Lohn.
Polizei nur in die Hände spielte. Sie waren mit einem Durchsuchungsbefehl gekommen, weil sie gewußt hatten, daß sie ihn damit mürbe machen würden, und sie hatten recht gehabt. Die Durchsuchung hatte sie beide mürbe gemacht.
Nan zupfte an ihren abgeknabberten Fingernägeln. Hätte ich mich nicht vorübergehend schwach und flau gefühlt, dann hätte ich zu ihm gehen können, sagte sie sich. Sie hätten miteinander reden können. Sie hätte ihn in die Arme nehmen und seine Gewissensqualen lindern und ... nein. Darüber würde sie nicht nachdenken. Nicht über das Gewissen. Niemals. Sie würde nur darüber nachdenken, was sie tun könnte, um ihren Mann von seinem Vorhaben abzubringen.
Es gab nur eine Möglichkeit. Sie ging zum Telefon.
Sie konnte es nicht riskieren, von der Rezeption aus zu telefonieren, deshalb eilte sie nach oben in ihr Schlafzimmer, zu dem Telefon, das neben ihrem Bett stand. Sie hatte schon den Hörer in der Hand und wollte gerade die Nummer eintippen, als sie den gefalteten Zettel auf ihrem Kopfkissen sah.
Die Nachricht, die ihr Mann ihr hinterlassen hatte, bestand aus einem einzigen Satz. Nan las ihn und ließ den Hörer fallen.
Sie wußte nicht, wohin sie gehen sollte. Sie wußte nicht, was sie tun sollte. Sie stürzte aus dem Schlafzimmer, rannte mit Andys Zettel in der Hand die Treppe hinunter. So viele Stimmen in ihrem Kopf schrieen ihr zu, etwas zu unternehmen, daß sie nicht ein einziges vernünftiges Wort verstehen konnte, das ihr gesagt hätte, was sie als erstes tun sollte. Am liebsten hätte sie jeden, der ihr begegnete, gepackt: in der Gästeetage, im Empfang, in der Küche, draußen auf dem Grundstück. Sie wollte sie alle schütteln. Sie wollte schreien: Wo ist er, helft mir, was tut er, wohin ist er gefahren, was hat es zu bedeuten, daß er ... o Gott, sagt es mir nicht, weil ich es schon weiß, ich weiß, ich weiß, was es bedeutet, und ich habe es immer gewußt, und ich will es nicht hören, nicht sehen, nicht fühlen, nicht begreifen müssen, was er ... nein, nein, nein ... helft mir, ich muß ihn finden, helft mir!
Sie rannte über den Parkplatz, ohne zu wissen, wie sie überhaupt dorthin gekommen war, und begriff, daß ihr Körper die Kontrolle über ihren Verstand übernommen hatte. Im selben Moment, als ihr klar wurde, was sie zu tun hatte, sah sie, was sie bereits gehört hatte: Der Land Rover war nicht da. Andy hatte ihn genommen, in der Absicht, sie hilflos zurückzulassen.
Aber das würde sie nicht akzeptieren. Sie rannte ins Hotel zurück. Die erste Person, der sie begegnete, war eine der beiden Grindleford-Frauen – und warum um alles in der Welt nannte sie sie eigentlich immer die Grindleford-Frauen, als hätten sie keine eigenen Namen? –, und sie stürzte auf sie zu.
Sie wußte, daß sie wie eine Wahnsinnige aussah. Sie fühlte sich wie wahnsinnig. Aber das durfte jetzt keine Rolle spielen.
Sie sagte: »Ihr Auto. Bitte.« Mehr brachte sie nicht heraus, weil sie kaum atmen konnte.
Die Frau blinzelte verwirrt. »Mrs. Maiden? Sind Sie krank?« »Die Schlüssel. Für Ihr Auto. Es geht um Andy.«
Das reichte zum Glück. Augenblicke später saß Nan hinter dem Steuer eines uralten Morris, dessen Polsterung so durchgesessen war, daß man jede einzelne Sprungfeder im Gesäß spürte.
Sie gab Gas und raste den Hang hinunter. Ihr einziger Gedanke war, ihn zu finden. Wohin er gefahren war und warum er dorthin gefahren war, darüber wollte sie gar nicht erst anfangen nachzudenken.
Barbara stellte fest, daß es nicht so einfach war, Winston Nkata zum Mitmachen zu überreden. Sicher, er hatte sie zur Mitarbeit bei den Ermittlungen aufgefordert, als sie tatenlos herumgesessen und auf einen Auftrag gewartet hatte, während er mit Lynley in Derbyshire herumgegurkt war. Es war jedoch etwas völlig anderes, wenn sie jetzt ihn aufforderte, gemeinsam mit ihr auf eigene Faust in genau dem Fall zu ermitteln, von dem ihr Vorgesetzter sie abgezogen hatte. Die kleine Schnitzeljagd, die sie vorschlug, war nicht von höherer Stelle genehmigt. Sie kam sich deshalb, als sie mit Nkata telefonierte, ein wenig wie Mr. Christian vor, wohingegen ihr Kollege nicht den Eindruck machte, als hätte er große Lust auf eine Fahrt auf der Bounty.
»Kommt nicht in Frage, Barb«, sagte er. »Das ist höllisch riskant.«
Sie sagte: »Winnie! Es handelt sich doch nur um einen einzigen Anruf. Und Sie haben doch jetzt sowieso Mittagspause. Oder es könnte zumindest Ihre Mittagspause sein,
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