Unheimliche Begegnungen (German Edition)
vernarbtes hässliches Gesicht ging ein höhnisches Grinsen. Vinc vernutete den Wirt vor sich zu haben, daher die Frage. Er hatte sich nicht geirrt.
„Du Milchgesicht willst mir frech werden? Für dich habe ich das richtige Getränk. Saure Milch“, war die Antwort. Doch hatte Vinc an einen Scherz gedacht, so wurde er später etwas Besseren belehrt.
„Danke! Hast du sonst nichts?“, fragte er höflich.
„Branntwein oder Moorgeist.“
„Alkohol trinke ich nicht“, meinte Vinc.
„Siehst auch noch ein bisschen Grün hinter den Ohren aus, Bürschchen.“ Der Mann lachte und blies dadurch seinen ohnehin erbrechenden Atem im Vinc Gesicht, der nahe bei ihm stand.
„So möchte ich lieber ein Glas Wasser“, meinte Vinc und stieß bei dem Wirt auf Unverständnis.
„Was ist Glas?“, fragte der Wirt. „Wir haben kein Glas. Du wirst einen Topf bekommen. Geh hinein in die Stube.“
Vinc war nicht erstaunt, dass der Wirt Glas nicht kannte, denn es war erst auf Arganon erfunden worden und zurzeit, wegen seiner Kostbarkeit, und wurde von den Reichen in den Städten benutzt. Bei einer Tafelrunde drückte es den Reichtum des Gastgebers aus, wenn in den noch sehr zerbrechlichen Gläsern, Getränke angeboten wurden.
Vinc hatte absichtlich nicht gefragt, warum dieses Mädchen ausgepeitscht werden sollte, denn er wollte sich nicht unbeliebt machen und gleich am Anfang abgewiesen werden. Normalerweise hätte er diesem armen Geschöpf geholfen.
Der Gastraum, den sie betraten, war eher ein schmutziges Loch, mit rohen Bänken und ebensolchen Tischen. Mehrere umherstehende kleinere Holzgestelle von ganz absonderlicher Form ließ sie über den Zweck nachdenken. Sie bestanden aus einem dreieckigen Lattenrahmen und hatten drei Beine. Mit einigermaßen Scharfsinn, konnte man erraten, dass es Stühle sein sollten.
Eine Frau saß da und rührte in einem großen hölzernen Kübel herum, in dem sich saure Milch befand.
Sie grüßten. Sie glotzte Vinc und Zubla mit großen, dummen Augen an und antwortete nicht. Der Mann war auch eingetreten. Er nahm einen kleinen Topf von einem Nagel herab und goss aus einem Krug einige Tropfen einer Flüssigkeit ein, die er als saure Milch vorsetzte.
„Ist das wirklich saure Milch?", fragte Vinc am Topf riechend.
„Ja.“
„So! Hast du sonst nichts?“
„Nein. Er ist dir wohl nicht gut genug?“
„Sie ist schlecht.“
„So packe dich fort, wenn es bei mir nicht schmeckt! Ich habe dir nicht befohlen, hier einzukehren. Bist du etwa einer dieser feinen Schnösel, dass du solche Ansprüche machst? Bist wohl ein Junker der Ritter? Nach deinem Alter zu urteilen, könntest du es sein.“
Vinc kostete den Trank, während Zubla angeekelt den Kopf zur Seite drehte.
Der Wirt sah den Kobold an, verzog aber keine Miene. Überhaupt kam es Vinc seltsam vor, das die ungewöhnliche Erscheinung Zublas keinen Eindruck machte, noch Ängste schürte, es schien so, als wären sie an solche ungewöhnliche Wesen gewöhnt.
Der Topf hatte den Inhalt von mehr als einem halben Liter. Dazu klebte am Rand eine Art Pech, das gewiss aus dem Schmutz bestand, den die Schnurrbärte von einigen Tausend Trinkern daran abgesetzt hatten.
„Nun, schmeckt sie?“, fragte der Mann.
„Ja und wie“, antwortete Vinc mit leichtem Ekel.
Der Wirt verstand ihn wohl falsch und sagte:
„Wenn du mehr willst, so sage es der Frau. Sie wird dir geben. Ich habe keine Zeit. Ich muss hinaus um eine Züchtigung vorzunehmen.“
Im Gastraum befanden sich keine Gäste. Vermutlich waren alle draußen um das Opfer geschart.
Die Frau rührte noch immer. Ihre Unterlippe hing weit herab und davon tropfte es in den Milchkübel hinein. Zubla sah es mit einem würgenden Ekel.
Vinc wandte sich auch angewidert ab und blickte zu einem der Löcher hinaus, die hier Fenster genannt wurden.
Draußen begann die Sonne ihr wärmendes Tageswerk. Innen aber war es dunkel und räucherig.
Er deutete Zubla an, er möge mit ihm hinausgehen, um frische Luft zu schöpfen, so frisch, wie es draußen im Hof zu finden war.
Eben traten sie zur Stube hinaus, da ertönte draußen ein schriller, langgezogener Schrei. Im Nu waren sie vor der Haustür. Es folgte ein zweiter, ebenso grässlicher Schrei und Vinc sprang über den Hof hinüber zur Ecke, in der man jene Person an die Leiter befestigt hatte.
Sie trug nur den Rock. Mit der vorderen Seite ihres Körpers an der Leiter bot sie den bloßen Rücken der Peitsche dar, die einer der Kerle zum dritten Hieb
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