Unheimliche Begegnungen (German Edition)
Stundenglas?
Über den Haufen zu kommen, bereitete Vanessa erhebliche Mühe. Auf der anderen Seite angelangt steckte sie die Fackel in den Sand und legte sich auf den Bauch und nahm, nicht ohne leichten Ekel, vorsichtig das Herz von Vinc ab, damit er ungehindert herüberkommen konnte.
Sie war froh, als sie diese ungewöhnliche Last wieder los wurde. Sie hörten immer noch ein Seufzen und Wimmern vor sich. Noch hatte der matte Schein der Fackel die Ursache nicht erfasst.
Hinter sich vernahmen sie Brechen von Holz und anschließendes Getöse. Eine Staubwolke verbreitete sich, sie prusteten los, als müssten sie ersticken.
„Der Gang ist wohl eingestürzt“, sagte Vinc, begleitet von einem Hustenanfall.
Die Fackel drohte auszugehen, als würde die Luft dünner. So kam es aber auch den beiden vor, als schnüre ihnen etwas den Sauerstoff ab. Sie schoben es auf die Staubwolke.
Nachdem sie sich aufgelöst hatte, sahen sie vor sich auf der Erde ein Wesen lang gestreckt auf der Erde liegen. Es schien nicht groß. Vinc schätzte es auf etwa hundertzwanzig Zentimeter. Sein Kopfschutz, der aussah wie ein Helm eines Ritters, war zur Seite gerutscht, sodass sein rotes zottliges Haar zu sehen war.
Üppiger Bartwuchs, der in einem langen Bart endete, zeigte kaum etwas von seinem Gesicht. Vanessa ging näher mit der Fackel zu ihm hin.
„Das ist ein Zwerg“, sagte sie überrascht.
Sie sah, dass dieser Zwerg erhebliche Verletzungen aufwies. Als sie sich dem Gesicht noch mehr näherte, sah sie gütige Augen, aber auch gebrochene Blicke, bereits dem Tod nahe.
Er seufzte und stöhnte wieder, gleich wie sie es bereits vorher vernommen hatten.
„Kommt dichter an meinen Mund“, sagte der Zwerg mit viel Mühe.
Er blutete aus verschieden Wunden und die kleinen Lachen, die sich um den Körper gebildet hatten, zeugten von einem bereits großen Verlust der kostbaren Körperflüssigkeit.
Vanessa näherte sich vorsichtig mit ihrem Ohr seinem Mund. Sie wusste, dass eine solche Nähe zu einem unbekannten Wesen stets ein Risiko beinhaltete.
„Ich heiße Sarason“, sagte er unter großer Mühe. „Ich spüre mein Ende nahen. Ich bin ein Untertan des Zwergenkönigs Gerason.“ Er stöhnte wieder. Er sah zu Vinc, der ihn nicht unterbrechen wollte, um nicht durch unnötige Fragen ihn noch mehr zu schwächen. „Du bist der Junge, der mir von Gerason beschrieben wurde. Er lässt dich grüßen. Die Arbeiter in der Mine wurden angegriffen, nachdem du mit Marxusta die Schmiede der Zexaturen verlassen hattest. Man hatte beobachtet, als du mit uns gesprochen hast. Gerason konnte mit den Leuten auf die fliegende Insel fliehen, die plötzlich von den Monstern befreit war. Auch dort wo ich mit unseren Soldaten gekämpft hatte, in einem Tal auf einer Wiese, waren unsere Gegner plötzlich verschwunden. Auch die Soldaten konnten auf die fliegende Insel fliehen. Nur ich schaffte es noch bis in diese Mine. Wieso plötzlich die Kämpfe aus waren und wieso die Insel von den Monstern befreit war, ist mir ein Rätsel.“ Er schwieg erschöpft. Vinc erzählte kurz von seinem und Marxustas Kampf gegen das Böse.
„Das erklärt alles. Als ihr die Fibel des Bösen in das Feuer geworfen habt, endeten die Kämpfe. Und auch das Dasein der Monster besiegelte es.“ Der Zwerg stöhnte und sagte ermattet weiter, so als spüre er die schwindende Zeit:
„Ihr müsst weiter nach hinten vordringen, bis ihr zu Sistenia gelangt seid. Sie erwartet euch. Neben mir seht ihr einen Klumpen Drianaerz. Sie braucht es. Seid vorsichtig, der Stollen ist teilweise zerstört worden. Böse Mächte wollen verhindern, dass ihr dorthin könnt.“
Er stöhnte wieder und sein Sprechen schien ihm viel Mühe zu machen.
„Dann sollen wir dahin gehen, von wo ihr geflohen seid?“, fragte Vinc.
„Ja. Ihr seid sicher vom Schloss hergekommen? Seid ihr dem Bösen begegnet?“
Sie wunderten sich zwar über seine Frage, aber seine immer matter werdende Stimme veranlasste sie, nicht nach dem Zurückliegenden zu forschen, sondern nach dem, was vor ihnen lag. Obwohl sie die Aufklärung der Vergangenheit auch interessierte.
Deshalb sagte Vinc nur knapp: „Wenn es das Böse war, ja.“
„Wer hat euch so übel mitgespielt?“, fragte Vanessa.
„Die bösen Mächte. Hütet euch vor ihnen. Aber nun sputet euch, bevor sie ihr Werk vollenden. Ihr müsst so schnell wie möglich Sistenia erreichen. Ich sehe ein Herz in deinen Händen. Hüte es, als sei es dein Eigenes. Vieles hängt von ihm
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