Unheimliche Begegnungen (German Edition)
Todes.
Vinc vertraute zwar Vanessa, dennoch testete auch er bei jedem Tritt die Fläche. Bei dem Gedanken, das Herz könnte in die trostlose, einsame Schwärze fallen und dadurch ihr Ende besiegeln, war ihm nicht besonders wohl. Noch ein Gedankenblitz durchfuhr ihn, er zuckte dabei zusammen, als wäre es ein wirklicher Blitz mit geladener Energie: Er war bedingt dadurch, indem er das Herz hüten muss, es sich in beiden Händen befand, nicht fähig, eine Waffe zu schwingen. Er konnte noch nicht einmal ihr Leben verteidigen, geschweige sein eigenes.
Das Einzige, was er tun könnte, ja sogar musste, war weglaufen wie ein Feigling, um sich und das Herz in Sicherheit zu bringen. Dadurch wäre Vanessa einem Angreifer alleine ausgeliefert. Er wusste inzwischen, welche Monster sie bedrohen könnten, auch kannte er ihre Stärken. Es wäre ein ungleicher Kampf. Natürlich kam es auch auf die Gewaltigkeit eines solchen Ungeheuers an.
„Hier ist nichts mehr“, sagte Vanessa. Sie setzte sich zunächst erschöpft auf die letzte gefühlte Stufe, fast an den Rand. Sie konnte die Füße nach unten baumeln lassen.
Vinc vorgewarnt, tastete sich auf ihre Stufe und setzte sich neben sie. Auch er bemerkte keinen Untergrund.
„Und nun?“, fragte er. Es waren eher verzweifelte Worte, nicht nur der Ratlosigkeit, sondern auch zugleich eines innerlichen Hilferufs nach einer Lösung.
„Eines steht fest. Ohne Licht können wir nicht weiter gehen. Ich glaube, wir sollten umkehren.“ Sie klang mutlos.
„Gute Idee. Geh du voran“, sagte er, denn er wusste, wie schwer es sein würde für ihn ohne stützende Hilfe der Hände sich zu erheben. Sie drehte sich um und wollte ihm helfen. Sie versuchte vorsichtig nach hinten zu gehen, daran gewöhnt, keinen unbedachten Schritt zu tun, da bemerkte sie, dass hinter ihr die nach oben führenden Stufen nicht mehr vorhanden waren?
Sie befanden sich gewissermaßen auf einer von Dunkelheit umgebenen, schmalen Plattform mit einer vermutlichen Untiefe ringsum.
Vorgewarnt durch Vanessa blieb er sitzen. Er bemerkte sogar ihre Aufregung am schnelleren Pulsieren des Herzens in seinen Händen. Was waren das für Geschehnisse?
Er spürte, wie sie sich wieder vorsichtig neben ihn setzte, jedes Anrempeln vermeidend, aus Angst, sie könnte das Herz aus seinen Händen stoßen.
Vanessa ging es allmählich an die Nerven, nur herumzusitzen und ihre Lage nicht verändern zu können.
„Sollen wir bis in alle Ewigkeit hier hocken? Ohne Nahrung dürften wir irgendwann erschöpft in die Dunkelheit fallen. Wer weiß, welche Tiefe uns erwartet.“
Vinc konnte sie, obwohl er körpernah an ihr saß, nicht sehen. Es war eine außergewöhnliche Finsternis, gleich als wäre eine Kapuze über ihren Kopf gestülpt.
Er spürte ihre Unruhe. Sie hatte sich gedreht und glitt langsam auf dem Bauch liegend mit dem Körper zum Abgrund.
Er spürte, dass sie etwas Unbedachtes tun wollte und fragte: „Was hast du vor?“
Um ihn nicht unnötig zu ängstigen, antwortete sie nicht.
Er wiederholte die Frage. Als Vanessa mit ihrem Körper an seinem baumelnden Fuß vorbeistreifte, wusste er, was sie vorhatte.
„Du willst mit deiner Körperlänge feststellen, ob nicht doch ein Widerstand da ist. Lass es sein. Am Ende werden deine Hände das Gewicht nicht mehr tragen können, du wirst abgleiten und in die Tiefe stürzen.“
Er legte das Herz sachte neben sich, um Vanessa an den Gelenken zu fassen. Doch es war nicht einfach, aus einer sitzenden Haltung beide zu ergreifen. Er hätte auch nicht viel ausrichten können, wenn sie abgleiten würde. Es gab dann nur zwei Möglichkeiten, sie halten und mit in die Tiefe stürzen oder sie loslassen um sitzend am Leben bleiben.
So fasste er mit beiden Händen nur das nächstliegende Handgelenk und hielt krampfhaft fest. Sie schien immer schwerer zu werden.
Er wusste, dass sie keine Chance mehr besaß, sich festzuhalten. Er rutschte mit ihr nach vorn, immer näher an den Rand.
Dann entglitt sie seinem Griff. Er spürte nur noch die gleitenden Fingerspitzen in seiner Handfläche. Er erwartete ihren Todesschrei. Es musste eine unermessliche Untiefe sein, denn er hörte ihren Körper nicht aufschlagen.
„Es ist fester Boden unter meinen Füßen“, vernahm er sie unweit unter sich. Erfreut wollte er auch nach unten springen, doch sie schien es vorausgeahnt zu haben, denn sie warnte: „Bleib oben. Schütze das Herz. Ich werde versuchen zu erkunden, wo wir sind.“
Es war ihm gar nicht
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