Unheimliche Begegnungen (German Edition)
war, bildete sich rechts ein schmaler Durchlass, der breit genug war, die Gruppe bequem durchlaufen zu lassen. Als sie die Hälfte des Viehs erreicht hatten, bemerkten sie ein leichtes Zucken, das durch seinen Körper ging. Es hatte den Anschein, als würde er erwachen. Wenn dies der Fall sein würde, wäre es um die Abenteurer geschehen. Sie konnten sich ausrechnen, dass sie, wenn sich der Varleture aufrichtete, gegen die Felswand gedrückt würden. Noch lag er reglos da. Nur noch durch die Atemzüge bewegte sich der Leib.
Die Spannung wuchs in das Unermessliche. Sie wagten nicht schnell zu laufen, weil sie Angst hatten, gegen seinen Körper zu stoßen und ihn dadurch aufzuwecken.
Die gefährlichste Stelle aber war der Kopf des Tieres. Dort angelangt sahen sie ihn flach auf dem Boden liegen. Die Augen waren geschlossen. Aus seinem schnabelartigen Mund floss eine rote Flüssigkeit.
„Der muss verletzt sein. Der blutet aus dem Maul oder Schnabel. Egal, was es auch sei“, flüsterte Vinc. Aber er betrachtete es nicht lange, sondern trieb sich selbst und seine Begleitung zur Eile an. Sie schafften es, sich von dem Ungetüm zu entfernen. Doch die Gefahr war dadurch noch nicht gebannt, denn die Passage hatte, so weit sie sehen konnten, keine Krümmung, sondern verlief gerade.
Es kam, was sie befürchteten. Der Varleture wurde wach. Er musste schwer verletzt sein, denn er schrie so laut, dass sie sich die Ohren zuhalten mussten, um von diesem Lärm nicht taub zu werden. Dabei schwang der Riese seinen Kopf hin und her. Er versuchte sich aufrecht zu setzen, kippte aber jedes Mal wieder zur Seite. Die Flügel konnte er nicht benutzen, sie waren zwischen den Felswänden eingeklemmt.
Sie sahen den Todeskampf dieses Urvieh.
„Der muss ja schrecklich leiden!“, rief Vanessa laut. Ihre Stimme war kaum zu vernehmen, so mächtig schrie der Varleture. „Komm, lass uns gehen“, sagte sie. Sie hatte, trotz der Gefahr, die von ihm ausging, Mitleid mit dieser sterbenden Kreatur.
Dann schrie er noch einmal laut auf und sackte in sich zusammen.
„Wir haben noch einmal Glück. Eigentlich zweimal. Der kann uns nicht mehr gefährlich werden und die Arlts haben erneut ein Hindernis vor sich“, stellte Vinc erleichtert fest. Doch er täuschte sich einmal wieder. Wenn er glaubte, die Gefahr sei vorbei, so kannte er noch nicht die kommende.
Die übrigen Varleturen hatten die Schreie ihres Artgenossen gehört und flogen auf die Stelle zu, wo ihr Angehöriger lag. Es war nur eine Frage der Zeit, wann sie die Gruppe um Vinc sichten würden.
Vanessa hörte ihren Flügelschlag wieder einmal zuerst. „Sie kommen!“, rief sie aufgeregt.
Sie brauchte nicht zu sagen, wen sie meinte, denn nun vernahmen auch Tom und Vinc die herannahenden Varleturen.
Sie sahen sich nach einem geeigneten Versteck um, doch sie fanden keins.
„Das wars“, sagte Tom mutlos. „Die sehen uns doch gleich. Außerdem ist der Durchgang breiter und so können sie uns krallen.“
„Musst du das sagen?“, fragte Vanessa mit einem leichten Schauder.
„Was?“, fragte Tom.
„Na, krallen. Ich spüre direkt die Klauen in meiner Haut. Das macht mir Angst“, antwortete sie sich schüttelnd.
„Kommt schnell!“, rief Vinc. Sie nahmen wieder Zubla, den sie kurz abgesetzt hatten, auf.
Vinc lief vorn an der Trage und Tom hinten und Vanessa neben ihm in Richtung des toten Varleturen. Als Vanessa hinter sich sah, bemerkte sie den ersten der Vögel auf sie zufliegen. Doch er bog wieder ab, denn sie waren inzwischen kurz vor dem toten Tier angekommen.
„Es ist schon eine komische Sache“, sagte Vinc, nachdem sie in Sicherheit waren. „Einer der uns bedroht hatte, ist nun unsere Rettung.“
Sie sahen, wie sich ein Varleture auf der breiten Passage niederließ und seinen Kopf in ihre Richtung hielt.
„Und nun“, fragte Vanessa und sah dabei Vinc ratlos an.
„Was und nun?“ Vinc sah sie achselzuckend an.
„Der bleibt vielleicht ewig dort“, antwortete Vanessa.
Tom pflichtete seiner Schwester bei: „So ist es. Dann sind die Arlts auch bald da und wir sind verloren.“
Diesmal kannte auch Vinc keinen Weg der Rettung mehr. Er schwieg. Sie waren in eine ausweglose Situation geraten.
Wie Vanessa erwähnte, vor ihnen das ausdauernd wartende Untier, hinter ihnen die herannahenden blutrünstigen Arlts. Und noch etwas kam hinzu. Sie brauchten Nahrung und Wasser. Ihre Körper waren durch die aufreibende Flucht inzwischen geschwächt, das bemerkten sie an
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