Unmoralisch
Rasierklinge. Er blickte Sally unverwandt an, wartete aber ein paar quälende Sekunden, bevor er die Befragung fortsetzte.
Stride wurde für einen kurzen Moment von diesem Melodram abgelenkt, als Maggie zurückkam und auf den Platz neben ihm glitt. Sie setzte sich so nah neben ihn, dass ihre Knie sich berührten. Stride beugte sich zu ihr und näherte sein Gesicht ihrem Ohr.
»Ist was passiert?«, flüsterte er.
Maggie nickte. Sie warf einen Blick über die Schulter, um sicherzugehen, dass kein Reporter in unmittelbarer Nähe stand. »Guppo hat mich angefunkt. Er verfolgt eine Spur nördlich der Stadt. Könnte was Wichtiges sein, sagt er.«
Am Tisch der Verteidigung ergriff Gale jetzt wieder das Wort. Seine Stimme war kalt wie Eis. »Wo wohnst du, Sally?«
Erstaunt nannte Sally ihm die Adresse.
»Wie weit ist das von Rachels Elternhaus entfernt?«, fragte Gale weiter.
»Etwa eineinhalb Kilometer, würde ich sagen.«
»Man kann also zu Fuß gehen?«
»Ja, sicher.«
»Bist du schon mal zu Fuß von deinem zu Rachels Haus gegangen?«
Sally nickte. »Ja, ein paar Mal.«
»Und du warst auch schon in ihrem Haus?«
»Ja, ein paar Mal. Mit Kevin.«
»Was für einen Wagen fahren deine Eltern?«, fragte Gale.
Dan stand auf. »Einspruch! Das ist irrelevant.«
Richterin Kassel seufzte. »Abgewiesen. Aber Ihre Zeit läuft bald ab, Mr Gale.«
»Antworte mir bitte«, sagte Gale zu Sally.
»Einen Chevy-Minivan.«
»Ein ähnliches Modell wie das der Familie Stoner?«, fragte Gale.
»Ich denke schon.«
»Hast du den Minivan deiner Eltern schon einmal gefahren?«
Sally nickte. »Ja.«
»Dann weißt du also, wie man so einen Wagen fährt?«
»Einspruch!«, rief Dan. »Die Frage wurde bereits beantwortet.«
»Stattgegeben. Fahren Sie fort, Mr Gale.«
»Gut, Sally, sprechen wir noch einmal über den letzten Abend, den du mit Kevin und Rachel verbracht hast. Ihr wart zu dritt im Canal Park, nicht wahr?«
»Ja, das stimmt.«
»Kannst du mir sagen, was du an diesem Abend anhattest?«, fragte Gale.
Sally zögerte. Sie warf einen ängstlichen Blick zu Dan hinüber, der sich zurückgelehnt hatte und Stride einen verständnislosen Blick zuwarf. »Was ich anhatte? Das weiß ich nicht mehr.«
Gale nickte. »Vielleicht kann ich deiner Erinnerung ja auf die Sprünge helfen.« Er fischte seine Brille aus der Brusttasche und setzte sie umständlich auf die Nase. Dann blätterte er in seinen Notizen. »Könnte es vielleicht ein rotes Karohemd, Jeans und ein roter Parka gewesen sein? Kommt dir das bekannt vor?«
»Kann sein«, sagte Sally. »Ich weiß es wirklich nicht mehr genau.«
»Aber du besitzt solche Kleidungsstücke?«
Sally nickte. »Ja.«
Gale verschränkte die Arme und musterte das Mädchen. »Du bist nicht genauso lange wie Kevin und Rachel im Canal Park geblieben, richtig?«
»Nein, ich bin gegen halb zehn gegangen.«
»Was hast du dann getan?«
»Ich bin nach Hause gefahren.«
»Hast du irgendwo angehalten?«
Sally schüttelte den Kopf. »Nein, ich bin direkt nach Hause gefahren.«
Gale blätterte erneut in seinen Notizen. »Bist du später noch einmal weggegangen?«
»Nein.«
Gale setzte ein kaltes Lächeln auf. »Bist du dir da ganz sicher?«
»Ja«, sagte Sally.
»Also gut. Bitte sag mir doch, Sally, warum bist du so früh nach Hause gegangen? Warum bist du nicht bei Kevin geblieben? Er ist doch dein Freund, oder?«
»Ja, das ist er.«
»Und trotzdem hast du ihn mit Rachel allein gelassen?«
Sally lächelte schwach. »Ich war müde.«
»Ich bitte dich, Sally. Du hast doch gehört, was Kevin ausgesagt hat. Er hat uns erzählt, Rachel habe sich ihm an diesem Abend auf der Brücke sexuell genähert.«
Sally schwieg. Sie biss sich auf die Unterlippe und wich Gales Blick aus.
»Tatsache ist doch, dass du die beiden zusammen gesehen hast, nicht wahr? Du hast gesehen, was sie getan haben.«
»Nein, hab ich nicht.«
Gale zog die Augenbrauen hoch. »Du hast also nicht zugeschaut? Dein Freund sitzt mit einem wunderschönen Mädchen auf der Brücke, und du hast nicht weiter darauf geachtet? Du bist einfach gegangen?«
»Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich müde war«, beharrte Sally.
»Aber eigentlich warst du wütend, oder? Dein Freund hat dich vor deinen Augen betrogen. Die herzlose kleine Schlampe hat ihn da oben geküsst und an ihm herumgefummelt, und du musstest zuschauen.« Gale hielt kurz inne. »Da bist du einfach weggelaufen, nicht wahr, Sally? Du warst wütend und hast dich
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