Unschuldig
Herr …?«
Er sah sie freundlich an. »Berger. Nicolai Berger. Nach der Schule fing ich als Mädchen für alles ganz unten an. Der Job gefiel mir, und schon nach einem halben Jahr war ich Assistent des Chefs. Gut, das hört sich großartiger an, als es war, aber ich machte die Arbeit gern und liebe sie heute noch.«
»Bedauern Sie es, nicht direkt beim Film, sondern in der Küche gelandet zu sein?«
Er lachte. »Letztlich ist es das Gleiche. Unsere Aufgabe ist es, unseren Gästen oder Zuschauern Freude zu bereiten: Vergnügungsbranche. «
Er stellte sich innerlich auf weitere Fragen ein, aber die Kommissarin bedankte sich und gab ihm zum Abschied die Hand. Langsam ging er davon. Dann drehte er sich noch einmal um, aber die Ermittlerin war schon verschwunden.
Die am Morgen im Radio angekündigten Regenschauer hatten nicht eingesetzt. Der Himmel strahlte wieder in frühlingshaftem Blau.
Er ging die Chausseestraße in Richtung Friedrichstraße und nahm dort die U-Bahn. Im Tiergarten schöpfte er tief Luft und schaute sich um. Ein schöner Tag. Überall waren Menschen um ihn herum. Sie spazierten durch den Park, waren glücklich, verliebt, lachten. Kinder spielten Ball. Fahrräder lehnten an den Bäumen, Liebespaare lagen davor auf der Wiese, und Cabrios mit offenen Dächern fuhren im Schritttempo auf der Straße des 17. Juni vorbei. Eigentlich war der Boden noch zu kalt, trotzdem zog er seine schwarze Anzugjacke aus und setzte sich darauf. Sollte sie ruhig schmutzig werden, es spielte keine Rolle. Er überlegte, ob er heute wieder mit Fabian Pizza essen wollte. Das hatte sich der Kleine jedenfalls gewünscht. Warum auch nicht? Die nötigen Zutaten zum Pizzabacken hatte er im Haus. Nur Büffelmozzarella, frisches Basilikum und eine neue Packung Schokokekse für den Nachtisch musste er noch besorgen.
Nachdem er ein paar Minuten lang das Gesicht mit geschlossenen Augen in die Sonne gehalten hatte, stand er auf, klopfte die Jacke ab und machte sich auf den Weg, um das Fehlende zu besorgen. Er war in Hochstimmung und würde nur noch Möller erledigen, bevor er sich endlich für immer aus dem Staub machen und ein neues Leben beginnen konnte. Und dabei würde die Kommissarin ihm helfen.
53
W ährend es sich gegen Mittag aufgehellt hatte, war der Himmel am Nachmittag nun wieder von dunklen Wolken verhangen.
Paula saß an ihrem Schreibtisch und spürte heftige Rückenschmerzen. Vor ihr stand eine Tasse mit kaltem Kaffee. Sie überlegte, wo sie sich so verkrampft haben könnte. Vielleicht waren es die Nächte, in denen sie kaum Ruhe finden konnte. Irgendwann schlief sie zwar doch immer ein, aber letzte Nacht war sie von ihrem eigenen Zittern aufgewacht. Ihre Haut war schweißnass gewesen, und gegen Morgen hatte sie im Schlaf geweint, bis Jonas sie in seine Arme genommen und beruhigt hatte.
Sie nahm einen Ordner mit Gesprächs- und Vernehmungsprotokollen und blätterte ratlos darin herum. Wo hatten sie etwas übersehen? Gab es irgendwo einen versteckten Hinweis, der sie weiterbringen könnte? Sie holte sich einen frischen heißen Kaffee von Ulla und gab Tommi den Auftrag, alle verfügbaren Informationen über Nicolai Berger zusammenzustellen. Irgendetwas an seinem Gerede über Küche und Kochen war ihr merkwürdig vorgekommen. Dann schnappte sie sich die Unterlagen mit den noch nicht Befragten aus dem weiteren Umkreis der drei Opfer. Hier waren noch vierzehn Leute auf der Liste, die Tommi für sie zusammengestellt hatte.
Sie versuchte Tim Möller zu Hause und auf dem Handy zu erreichen, aber da liefen nur Anrufbeantworter und Mailbox. Sie hinterließ auf beiden eine Nachricht mit der Bitte um dringenden Rückruf und bat Marius, bei Möller zu Hause vorbeizufahren, um nachzusehen, ob er da war. Sie wollte ihn dringend sprechen.
Dann rief Paula im Produktionsbüro Buckow an und erfuhr, dass die Assistentin Anna Leifheit bereits seit gestern Vormittag auf einen Rückruf von Möller wartete. Sie benötigte verschiedene Unterlagen von ihm, um die abgebrochenen Dreharbeiten als Versicherungsfall abwickeln zu können. Normalerweise rufe Möller immer prompt zurück, meinte sie. Sie hatte auch bemerkt, dass der Regisseur nicht auf der Beerdigung von Lea Buckow erschienen war, und sich sehr darüber gewundert. Von einem Nachfolgeauftrag Möllers wusste Anna Leifheit nichts.
Schließlich begann Paula systematisch, jedes Protokoll noch einmal gründlich zu lesen. Mitarbeiter, Freunde, nächste Verwandte, wussten sie
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