Unsterblich 04 - Unsterblich wie der Morgen
Lea starrte mit schreckensgeweiteten Augen zu ihm auf. Das Wasser aus der Dusche prasselte ihm auf den Hinterkopf und tropfte von seinen Haaren auf ihr Gesicht. Adam richtete sich schroff auf und drehte den Duschhahn ab.
Sie zitterte am ganzen Körper, wie er sah, aber nicht vor Kälte, sondern vor Angst. Sie hatte Angst vor ihm. Hatte er die falsche Taktik bei ihr angewandt? Er beschloss umzuschwenken.
»Ich werde dir nichts tun, Lea«, sagte er langsam, beruhigend und nahm wieder auf dem Toilettensitz Platz.
Ihre Unterlippe zitterte. Sie zog die Beine ans Kinn und schlang die Arme um die Knie.
»Du musst mir nur ein paar Fragen beantworten«, fuhr er fort, als sie nichts erwiderte.
»Was soll das für einen Sinn haben? Du glaubst mir doch sowieso nicht!«, sagte sie, noch immer zitternd.
Adam zog ein rosa Badetuch vom Heizungshalter und reichte es ihr.
»Wir werden sehen. Also, jetzt erzähl mir alles, was du über Mary Robertson weißt. Von Anfang an.«
Lea nibbelte ihre kurzen Haare trocken, dann lehnte sie sich wieder zurück, um ihre Gedanken zu sammeln.
»Marys Geist ist heute Nachmittag zu mir gekommen.
Sie hat mir erzählt, dass sie getötet wurde und dass ich ihr helfen soll, ihre Leiche zu finden, damit sie ins Licht gehen kann.«
»Aha.« Adam versuchte, sich seine Skepsis nicht anmerken zu lassen. Wieso beharrte sie auf dieser lächerlichen Lüge? »Und ist ihr Geist jetzt auch hier?«
Lea nickte. Sie wirkte dabei so aufrichtig, so von ihrer Spinnerei überzeugt, dass ihm erneut Zweifel an ihrem Geisteszustand kamen.
»Du glaubst mir noch immer nicht, oder?«, stöhnte sie.
Adam drückte seinen Nasenrücken mit Daumen und Zeigefinger zusammen. Diese Frau war keine Gefahr. Eine Irre, vielleicht, aber keine Bedrohung für seine Spezies.
Tatsache jedoch war, dass sie viel zu viel über seine Leute wusste.
Er musste herausfinden, wie und von wem. Irgendwo in ihren Reihen war ein Leck.
»Doch, doch, ich glaube dir«, sagte Adam, um sie zu beschwichtigen. Wenn es ihm gelang, ihr Vertrauen zu gewinnen, konnte er vielleicht an ihren Informanten herankommen. »Also, was willst du von mir? Was soll ich tun?«
Sie war sichtlich erleichtert. Doch dann schaute sie sich stirnrunzelnd um. »Wo sind sie hin?«
»Wer?«
»Na, Mary und Liam.« Als Lea seine Verwirrung bemerkte, erklärte sie: »Liam ist ein guter Freund. Obwohl er mich in letzter Zeit ein paar Mal ganz schön hat hängen lassen. Er hat zum Beispiel vergessen mich davor zu warnen, dass du ein Vampir bist.«
Adam lächelte und stellte seine nächste Frage betont lässig. »Woher hätte er das wissen sollen? Wir laufen schließlich nicht mit Buttons rum, auf denen steht: ›Ich bin ein Vampir, pfähle mich!‹«, sagte er.
Sie ging nicht darauf ein. »Aber untereinander müsst ihr euch doch erkennen, oder nicht?«
»Liam ist ein Vampir?«, fragte Adam verblüfft. Er hatte nicht erwartet, dass seine Taktik so schnell aufgehen würde. Da war es ja, das Leck! »Ist er auch aus Edinburgh?«
»Ach nein, er ist Ire. Das heißt, er war Ire. Aber er ist hier gestorben, also ist er hier geblieben.«
Hier gestorben? »Liam ist also auch ein, hm, ›Geist‹?«
»Ja, das ist er. Hör zu, ich ...« Sie hielt abrupt inne und neigte lauschend den Kopf. Ihr Blick war über seine rechte Schulter gerichtet. Plötzlich riss sie erschrocken die Augen auf. »Was?! Was soll das heißen? Du meinst jetzt, in diesem Moment?«
Adam riss allmählich der Geduldsfaden. »Lea, was ist?«
Ihr panischer Gesichtsausdruck alarmierte ihn. »Es ist Liam. Er sagt, dass sich vier Männer mit Pistolen dem Haus nähern!«
Adam hob gebieterisch die Hand. Er lauschte angestrengt, konnte aber nichts hören bis auf die üblichen Geräusche eines Hauses: das leise Knarren sich setzender Balken, das Brummen eines Heizaggregats. Das wollte er auch gerade sagen, als ihn ein besonders langes Knarren stutzig machte. Da machte jemand ganz, ganz leise die Vordertüre auf! Cem und Victoria waren das bestimmt nicht, die würden sicher nicht derart verstohlen in ihr eigenes Heim eindringen. Verdammt. Er überlegte blitzschnell. Besser, er glaubte Lea, verrückt oder nicht. Sicher war sicher.
Wenn es tatsächlich vier waren, konnte er es mit ihnen aufnehmen. Aber er durfte nicht riskieren, dass Lea etwas zustieß. Er legte warnend einen Finger auf ihre Lippen, dann hob er sie aus der Wanne und stellte sie auf dem Boden ab. Kurz lauschend nahm er sie bei der Hand und schlich mit ihr
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