Unsterbliche Gefährten - das böse Blut
kleinen Teppich, rechts von mir. Sie deuten ihnen an, sich hinzuknien. Dennis lässt sich langsam zu Boden sinken. Justin faucht und zischt, da tritt ihm einer der Blutsauger in die Kniekehlen und er fällt von selbst hin. Ich verziehe schmerzhaft mein Gesicht und blicke rasch nach vorne.
Ansgars Blick trifft mich, er runzelt die Stirn – er sieht gequält aus.
Mein Leben für deine Gedanken, denke ich und schlage erneut meine Augen nieder.
Alarichs Stimme hallt durch den Saal.
„Zur Verhandlung kommen heute zwei Fälle, die aber unmittelbar miteinander verflochten sind. Zum einen geht es um die junge Vampirin da vorne“, damit deutet er mit seinen runzeligen Fingern in meine Richtung.
„Und um die sogenannten Vernichter, die unserer Art Schaden zugefügt haben und uns in Gefahr brachten.“ Alarich räuspert sich nochmals kurz und blickt mich direkt an. Sein Blick geht mir durch und durch und ich versuche schnell an etwas Harmloses zu denken, als könnte er meine tiefsten Geheimnisse erraten. Angestrengt schlucke ich kurz.
„Als erstes möchten wir über dich Gericht halten, Natascha. Wo ist dein advocatio – dein Beistand?“ Er blickt sich suchend um.
„Ich verteidige mich selbst, Herr. Ich benötige keinen Beistand.“ Meine Stimme klingt piepsig in dem großen Saal.
Alarich zuckt mit den Schultern. „Das ist dein gutes Recht. Eleonore wird die Anklageschrift verlesen. Bitte.“ Er streckt die flache Hand aus und lehnt sich in seinem Sessel zurück.
Eleonore erhebt sich und beginnt vorzulesen:
„Der Angeklagten wird vorgeworfen, im August 2019, ein fremdes Halbblut im Schnellverfahren verwandelt zu haben. Außerdem hat sie zwei Vampire, Thomas und Elisabeth, beide Angehörige des Clans, geköpft, und den Oberen kaltblütig ermordet. Ferner wird ihr vorgeworfen, nur das Schlechteste in sich zu vereinen – Die Trägerin des bösen Blutes zu sein.“
Hinter mir geht ein kurzes Raunen durch das Publikum, Eleonore hebt den Kopf und sieht mich an.
„Ihr zugute halten muss man aber“, fährt sie fort, „das sie freiwillig als Köder für die Ergreifung der Vernichter gedient hat, dass sie ein Mitglied des hohen Rates aus ihren Fängen gerettet und uns letztendlich die Vernichter zugespielt hat.“ Sie setzt sich wieder.
Alarich ergreift das Wort.
„Danke dir Eleonore. Du wirst später noch Gelegenheit haben, dich dazu zu äußern, Natascha. Zuerst werden wir den Abgesandten hören. Ansgar, bitte, dein Bericht.“
„Im letzten Frühjahr besuchte ich Natascha, und … verschaffte mir die für mich nötigen Informationen.“ Ansgars Stimme klingt ruhig und fest.
„Es entspricht den Tatsachen, dass sie den Oberen des Clans getötet hat, aber nicht kaltblütig, sondern um sich zu verteidigen, ebenso die Clanmitglieder Thomas und Elisabeth. Es handelte sich auch hierbei um reine Verteidigung.“ Ansgar lässt mich nicht aus den Augen, er nagelt mich mit seinem Blick fest.
„Zu der Verwandlung des Halbblutes kann ich nur sagen, dass es sich wohl um eine Notsituation gehandelt hat, weil er, durch Thomas’ Schwert, schwer verwundet war und im Sterben lag.“
Alarich unterbricht ihn. „Das ist aber kein Grund, ein Halbblut in celeritas zu verwandeln. Der Kodex verbietet es. Es kommt selten etwas Gutes dabei heraus.“
„Ja Herr, es ist contra legem – gegen das Gesetz. Aber es spielte noch ein anderer Grund eine Rolle …“ Ansgar legt eine Pause ein.
„Welcher Grund kann so groß und bedeutend sein, um gegen ein bestehendes Gesetzt zu verstoßen – den Kodex zu missachten.“ Alarichs Stimme klingt empört.
Ansgars Augen verschlingen meine.
„Liebe?“ Es klingt mehr wie eine Frage, seine Stimme ist klar und deutlich, ein Raunen geht erneut durch das Publikum. Ansgars Blick trifft mich in meinem Innersten, in meinen Tiefen.
Ich spüre, wie plötzlich eine Wunde in mir entsteht, wie das Fleisch aufreißt und Blut herausquillt. Blut, das mich wie Gift von innen her verseucht. Gleichzeitig fühle ich eine irre Wut in mir hochsteigen, Wut auf Ansgar. Du hast ja keine Ahnung – gar keine, denke ich giftig, du kennst mich nicht. Meine Augen sprühen Funken, ich sehe kleine Feuerbälle vor ihnen tanzen.
„Wie ist der Grad der Verseuchung zu beurteilen? Ist sie die Trägerin des bösen Blutes?“
Es herrscht gespannte Stille im Saal, Ansgar antwortet nicht, er blickt nur mich an. Der rote Ring pulsiert stark, das Feuer lodert.
„ANSGAR?“ Alarichs Ruf prallt von den Wänden ab.
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