Unsterbliche Lust
und wollte unter die Dusche,aber dann spürte sie einen nagenden Hunger. Seit dem Frühstück im Flugzeug hatte sie nichts mehr gegessen, und in ihrem Magen rumorte es.
Mit einem Schulterzucken entschied sie, dass sie die Dusche eher aufschieben konnte als Nahrung für ihren Magen. Sie stieg in ihre Reiseklamotten, Leggings und Sweatshirt, und ignorierte ihr Unbehagen, verschwitzte Sachen am Leib zu tragen. Sie wollte nur rasch zur Bar und ein paar Sandwichs mit aufs Zimmer nehmen. Sie hätte natürlich auch den Zimmer-Service anrufen können, aber sie wollte die Gelegenheit nutzen, gleichzeitig wieder nach Claire Ausschau zu halten.
Kurz darauf war sie wieder auf dem Rückweg in ihr Zimmer – mit einem Tablett voller Sandwichs, Obst und einem Kännchen Tee, aber ohne Claire gesehen zu haben. Sie öffnete die Tür und blieb wie angewurzelt stehen.
Wie seltsam, dachte sie, und Angst und Neugier rangen in ihr um die Vorherrschaft. Wieso …? Wie war das möglich? Wer war in ihrem Zimmer gewesen?
Sie war höchstens zehn Minuten weg gewesen, und in dieser Zeit hatte jemand ihr Bett gemacht, die Vorhänge waren vorgezogen, auf dem Nachttisch brannte ein Licht, und auf ihrem Bett lag eine längliche weiße Schachtel, darauf ein Briefumschlag, auf dem in eleganter, geschwungener Schrift ihr Name stand.
Benommen setzte Sasha das Tablett ab und starrte offenen Mundes auf Briefumschlag und Schachtel. Es passiert wieder!, dachte sie aufgeregt und griff, erfüllt von einer ungeheuren Spannung, nach dem Umschlag.
Ich wusste, es war richtig, hierhin zurückzukommen, dachte sie. Ich wusste, so etwas würde geschehen. Sie fuhr mit einem Finger über die Schrift auf dem Umschlag.Die Tinte war dick und dunkel, und ihr fiel auf, dass das zweite ‹S› ihres Namens wie ein ‹F› aussah, als wäre es eine Handschrift aus dem achtzehnten Jahrhundert.
Mit zitternden Fingern brach sie das Siegel und zog aus dem Umschlag eine cremefarbene Karte, auf der in geschwungener Schrift stand:
Sie sind eingeladen
Zum Herbstball auf Gut Asher
Um acht Uhr im Großen Ballsaal
Übliche Kostümvorschriften
«Übliche Kostümvorschriften? Was, zum Teufel, soll mir das sagen?», murmelte Sasha, aber sie wusste instinktiv, dass ein Teil der Antwort in der weißen Schachtel liegen würde. Zögernd und mit klopfendem Herzen hob sie den Deckel der Schachtel an. Sie griff in das raschelnde Seidenpapier und schloss ihre Finger um den weichesten Samt, den sie je angefasst hatte. Sie zog den Stoff aus der Schachtel und sah, dass sie ein Kleid in den Händen hielt.
Das tiefe Rot des Gewebes, die herrliche Spitze, die Ausschnitt und Ärmel säumte – es war eine Kopie des Kleids, das Lady Amelia in dem Porträt trug, das Sasha im Treppenaufgang gesehen hatte.
Sasha hielt das Kleid hoch, schmiegte ihr Gesicht gegen den Stoff, atmete mit geschlossenen Augen den Lavendelduft ein und legte es nach langer Zeit zögerlich aufs Bett. Sie griff noch einmal in die Schachtel, um zu sehen, welche anderen kostbaren Dinge sie noch enthielt.
Sie fand eine komplette Nachtgarnitur, wenn auchnicht in der Mode des achtzehnten Jahrhunderts. Dann zog sie ein rotes Korsett aus Samt heraus. Die feste Struktur der Körbchen würde den Busen hochdrücken, und an der Form erkannte Sasha, dass sie sich eng um Taille und Hüften schmiegen würde. Aber sie würde nie mit den Haken und Ösen und Schnüren zurechtkommen.
Die Schachtel enthielt keine Unterwäsche, so sehr Sasha auch in dem Seidenpapier kramte, dafür fand sie aber vornehme lange weiße Seidenhandschuhe, die bis zu den Ellenbogen reichten, einen schwarzen Strumpfhalter, der aus feiner Spitze hergestellt war, sowie scharlachrote Strümpfe, deren Saum kunstvoll bestickt war, und in das Muster waren winzig kleine Rubine eingestickt. Auch Schuhe entdeckte Sasha in der Schachtel – sie waren silbern und wurden geschnallt, und die hohen Absätze funkelten wie Zechinen.
Es gab noch weitere Accessoires in der Schachtel, ein Band für ihre Haare und ein winziges Tuch aus Spitze, wahrscheinlich das Taschentuch für eine Lady, dachte Sasha, und dann war da noch eine schwarze Augenmaske aus Samt. Sasha hielt sich die Maske vors Gesicht und betrachtete sich im Spiegel. Nun, geheimnisvoll fand sie sich nicht, eher ein bisschen albern. Sie warf sie aufs Bett zurück.
Sie stand da und atmete tief durch. Woher kam das alles? Sie hatte nicht gewusst, was sie im Hotel zu erwarten hatte, aber am wenigsten hätte sie mit der
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