Unter dem Schatten des Todes - Brack, R: Unter dem Schatten des Todes
man geschäftige Schemen. Vor dem Speisewagen stand ein Anhänger mit Gastronomie-Utensilien. Decken, Servietten, Teller, Tassen, Gläser, Kisten und Kästen wurden eingeladen. Der Mitropa-Adler an der Wagenseite überwachte die Arbeit und breitete seine Schwingen über einem Rad aus, in das ein Übereifriger ein Hakenkreuz eingeritzt hatte.
»Das muss übermalt werden«, murmelte sie vor sich hin. »Bitte?«
Walter hielt sie am Arm fest.
»Ach nichts.«
»Warte.«
Sie blieb einige Schritte zurück. Hinter ihr hupte ein Postwagen. Sie trat beiseite. Walter sprach mit einem Mann in fleckiger Kellner-Uniform, der vom Schleppen der Kartons ins Schwitzen geraten war, dünne Haare klebten ihm an der Stirn. Unwirsch blaffte er etwas Undeutliches und zuckte mit den Schultern, deutete mit dem Kopf in den Waggon, drehte sich um und stieg schwankend mit einem Stapel Kartons auf den Armen in den Speisewagen.
Walter winkte ihr knapp zu. »Bleib, wo du bist.« Dann folgte er dem Kellner.
Ein Mann mit Kofferträger und qualmender Zigarre musterte sie anzüglich.
»Marlene?«
Sie reagierte nicht.
»Ich hab noch einen Platz frei im Abteil.«
»Ich bin nicht die Dietrich. Und sogar die würde dir deine Zigarre im Maul umdrehen, Fettwanst«, zischte sie und ging an ihm vorbei.
Der Kofferträger murmelte: »Na, hören Sie mal.«
Die Dialektik von Herr und Knecht, dachte Klara, wirklich umwerfend.
Am anderen Ende des Speisewagens schaute Walter aus der Tür. Sie ging zu ihm, stieg ein, folgte ihm ins Zugrestaurant. Dort erwartete sie ein schlaksiger junger Mann in Mitropa-Kluft, auch diese verknittert und mit leichten Schmutzspuren, man sieht es auf gestärkten weißen Jacken eben besonders gut.
»Hättest du nicht warten können, bis ich Feierabend habe?«, beklagte er sich und fuhr sich mit der linken Hand durch die langen blonden Haare. In der rechten hielt er Messer und Gabeln.
»Wo hätte ich dich denn dann gefunden?«
»Draußen auf dem Bahnsteig.«
Walter ließ sich nicht beirren. »Das ist Friedrich.«
»Klara.« Sie nickte ihm freundlich zu, was ihm auch nicht zu passen schien.
»Fritz, die Genossin hier hätte dir einige Fragen zu stellen.« Der schlaksige Kerl schaute hastig um sich. »Red nicht so.« »Es ist doch niemand da.«
Der blonde Kellner wurde erst weiß, dann rot im Gesicht. »Geht raus.« Mit zitternden Händen begann er, das Besteck auf die weiß gedeckten Tische zu legen. Die meisten Tische hatte er schon vorbereitet. Wenn eine Messerklinge nicht blitzblank war, wischte er sie mit einem Tuch sauber, dass ihm aus der Hosentasche hing.
Sie sahen ihm zu. Klara war unwohl in dieser Situation. Wasbezweckte Walter eigentlich? Wäre es nicht wirklich besser, woanders zu warten? Zuerst befanden sich zwei Tische zwischen ihnen und dem Kellner, dann einer, dann stand er vor ihnen.
»Draußen auf dem Bahnsteig«, murmelte er, fast schon verzweifelt.
Eine Gabel fehlte. Fritz drehte sich um und wollte zur Anrichte am anderen Ende des Wagens gehen, da erschien ein großer breiter Schatten im Durchgang. Grauer, zweireihiger, langer Mantel, Käppi mit glänzendem Schirm, breiter schwarzer Gürtel, weißmetallener Ringkragen mit Dienstnummer. Darüber ein glattes kantiges Gesicht. Der Mann verschränkte die Arme und schaute sich prüfend um. Fritz ging unwillkürlich ein paar Schritte rückwärts und stieß gegen Klara. Er roch nach einer strengen Seife oder Bohnerwachs, und Schweiß.
Dem Mann in Uniform folgte ein zweiter, der genau gleich gekleidet war. Der Erste griff nach einer korrekt liegenden Serviette und warf sie nachlässig auf einen anderen Tisch. »Übereifrig.« Er schob das gesamte Besteck eines Tisches zusammen. Metallisches Klirren. »Alles abräumen! Alles raus! Erst wird hier inspiziert.« Er fasste einen Zipfel der Decke und warf ihn über das Besteck, sodass die Tischplatte zum Vorschein kam.
Der Zweite schaute hinter sich, vermisste offenbar jemanden und ging zur Waggontür. »Los, rein!« Der Chefkellner betrat den Raum.
»Sie warten hier und bringen dann alles wieder in Ordnung. Alle anderen raus!«
Das ließ Fritz sich nicht zweimal sagen. Wie ein eingepferchtes Tier drängte er die anderen zum Ausgang und schob sich zwischen ihnen hindurch, um so schnell wie möglich auf den Bahnsteig zu gelangen.
Dort standen einige andere Mitropa-Angestellte und schauten sich ratlos an. Offenbar wurden auch andere Waggons durchsucht.
Klara ließ sich von einem von ihnen Feuer geben. »Was
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