Unter dem Vampirmond 01 - Versuchung
das alles würde nicht mehr lange so weitergehen.
» Warum rettest du mir immer wieder das Leben?«, fragte ich mit zitternder Stimme, während mir dicke Tränen übers Gesicht rannen.
Als Jack mich verständnislos ansah, sprach ich weiter, und je mehr ich sprach, desto mehr weinte ich. » Ich verstehe das einfach nicht! Warum rettest du mir immer wieder das Leben, wenn ihr doch vorhabt, mich zu töten? Worauf wartet ihr, warum bringt ihr es nicht gleich hinter euch? Ist das irgendein krankes Spiel, das ihr da spielt? Spielt ihr immer mit eurem Essen, bevor ihr es verschlingt?«
Er starrte mich mit offenem Mund und weit aufgerissenen Augen an und wirkte schockiert und zugleich tief verletzt.
» Dann weißt du …« Jack verstummte und versuchte zu verstehen, was ich meinte. » Wir werden dich nicht töten.«
» Was dann?«, fragte ich beinahe kreischend. » Was zum Teufel seid ihr, und was wollt ihr von mir?«
» Alice, wir sind Vampire.«
Jack sah mich ernst an, und ich wäre beinahe in Gelächter ausgebrochen. Doch dann begriff ich plötzlich, dass er es ernst meinte, und starrte ihn in fassungslosem Schweigen an, während das Sirenengeheul und die Blinklichter der Polizei- und Krankenwagen näher kamen.
Kapitel 13
Die Sanitäter sa g ten, ich stünde unter Schock, und wäre ich fähig gewesen, etwas zu sagen, hätte ich ihnen sicherlich zugestimmt. Sie konnten sich nicht erklären, wie wir den Unfall überlebt hatten und woher das Blut auf Jacks Körper stammte. Sie wollten uns ins Krankenhaus bringen, doch weil Jack keiner medizinischen Untersuchung standhalten würde, wehrte er sich so lange dagegen, bis die Sanitäter schließlich einlenkten.
Er erlaubte ihnen, mich zu untersuchen, doch als sie sagten, dass ich – abgesehen von dem Schock – unverletzt sei, bat er darum, dass man uns nach Hause brachte.
Er saß neben mir auf dem Rücksitz des Polizeiwagens und rief mich mehrmals leise beim Namen, doch ich antwortete nicht. Stattdessen starrte ich aus dem Fenster und versuchte zu begreifen, was er mir eben offenbart hatte.
Einige Dinge machten nun Sinn, zum Beispiel seine übermenschliche Kraft, die an Zauberei grenzende Fähigkeit seines Körpers sich selbst zu heilen, die Tatsache, dass er nie etwas aß oder trank und dass wir uns immer nur nachts trafen.
Andererseits waren sie alle braun gebrannt (nur Mae war blass, aber sie war schließlich auch Engländerin), und gestern Nacht hatte ich Jacks Herzschlag gehört. Er hatte keine großen Reißzähne und er hatte mich auch nicht gebissen.
Das erklärte zum Teil auch den Vorfall mit Peter. Doch warum wollten sie nicht, dass er mich biss? Was war daran so wichtig? Konnte nicht einfach jeder jeden beißen?
Mae musste das Polizeiauto gesehen haben, denn sie stand bereits an der Haustür, als wir ausstiegen. Matilda sprang an Jack hoch, dem jedoch nicht nach Spielen zumute war.
» Jack, was ist passiert?«, fragte ihn Mae, doch ihr Blick war auf mich gerichtet.
Ich hatte nicht die kleinste Schramme, doch meinem Spiegelbild nach zu urteilen, das ich zuvor im Rückspiegel des Streifenwagens flüchtig gesehen hatte, war mein Gesicht kreidebleich und meine starren Augen waren rot unterlaufen vom Weinen.
» Ich hab den Jeep geschrottet«, war Jacks vage Antwort. Obwohl wir noch im Hauseingang standen, zog er sein Shirt aus und fing an, sich damit das Blut abzureiben.
» Schon wieder?« Mae sah ihn verärgert an. » Jack, du hast wirklich …«
» Sie weiß es«, unterbrach er sie.
Er warf mir einen kurzen Blick zu, wandte sich dann aber sofort wieder ab. Obwohl auf seinem Rücken noch blutige Stellen waren, hörte er auf sich zu säubern, knüllte das T-Shirt in seinen Händen zusammen und ging in die Küche.
» Wie bitte?« Mae drehte sich wieder zu mir und sah mich unsicher an.
» Er hat mir erzählt, dass ihr Vampire seid.« Das waren die ersten Worte, die ich seit seiner Offenbarung sagte, und meine Stimme klang heiser und irgendwie fremd.
Mae senkte den Blick und ließ langsam und zitternd die Luft ausströmen.
» Oh.« Das war alles, was sie darauf sagte. Sie erklärte Jack nicht etwa für verrückt, wie ich es insgeheim gehofft und eigentlich auch erwartet hatte.
» Dann ist es also wahr?«, fragte ich. Obwohl ich wusste, dass ich kurz vor einem hysterischen Anfall stand, kamen die Worte seltsam ruhig aus meinem Mund.
» Deine Kehle hört sich trocken an.« Mae zwang sich zu einem Lächeln und legte mir zögernd ihren Arm um meine
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