Unter den Sternen des Südens: Australien-Saga (German Edition)
Der fremde Menschengeruch brachte es ein paarmal zum Niesen, bevor es sich umdrehte und zurück zur Herde lief.
Amanda lächelte. »Sie sind so schnell gewachsen«, sagte sie zu Hannah. »Sieh mal das Lamm da drüben.«
Amanda zeigte auf ein Jungtier, das fast so groß war wie seine Mutter. »Siehst du, was für einen langen Rumpf es hat, fast wie ein Projektil? Das wird mal ein tolles Zuchtschaf. Problemlose Geburten und eine hohe Wachstumskapazität. Ich kann es gar nicht erwarten, das ZWS-Ergebnis vom Zuchtverband zu bekommen, und …«
»Das was? Manchmal redest du Fachchinesisch.«
»ZWS steht für Zuchtwertschätzung. Die Tiere werden nach bestimmten Eigenschaften bewertet wie Bemuskelung, Milchmenge, Tageszunahme. So kann ich die besten Böcke mit den besten Mutterschafen paaren und meine Zucht veredeln. Natürlich sollte man sich nicht ausschließlich auf die ZWS-Bewertung verlassen. Ein guter Züchter verlässt sich auf sein Auge … Sorry, ich langweile dich, nicht wahr?«
»Überhaupt nicht. Du bist mit Leidenschaft bei der Sache, und das liebe ich an dir.«
»Na schön, ich will dich nicht länger quälen. Trotzdem muss ich noch kurz den elektrischen Zaun überprüfen.« Amanda warf Hannah einen frechen Blick zu. »Wetten, du traust dich nicht, ihn anzufassen?«
»Im Leben nicht!« Hannah wich einen Schritt zurück.
»Also gut, dann fasse ich ihn an. Du hältst so lange meine andere Hand.«
»Vergiss es! Ich weiß zwar nicht, was genau du vorhast, aber ich bin mir sicher, es endet damit, dass ich eine gewischt bekomme.«
Amanda lachte. »Du hast recht! Die Elektrizität wandert durch mich hindurch, wenn du meine Hand hältst. Du bekommst den Schlag, nicht ich. Zumindest hat Dad mir das so erklärt. Ich habe es nie ausprobiert.«
Sie fuhren zurück zum Haus und betraten die Waschküche, um sich die Hände zu waschen. Amanda ging in die Küche, stellte den Wasserkocher an und drehte sich zum Kühlschrank um, um nachzuschauen, was zum Essen da war.
Zu ihrer Überraschung klemmte an der Tür ein Umschlag, der mit einem Magneten befestigt war.
In diesem Moment kam Hannah herein und zog einen Stuhl vom Tisch zurück. »Ich wünsche Tee, meine Liebe«, sagte sie in Cockney-Akzent, während Amanda den Umschlag von der Tür nahm. »Was ist das?«
»Keine Ahnung. Der war am Kühlschrank.«
Hannah sprang auf und warf dabei ihren Stuhl um. »Nicht anfassen!«, schrie sie.
Amanda zuckte zusammen und ließ den Brief fallen. »Was? Warum nicht?«
»Du könntest Fingerabdrücke verwischen«, antwortete Hannah. »Hast du eine Pinzette?«
»O nein, bitte nicht«, murmelte Amanda und wurde blass. Natürlich … der nächste anonyme Brief, gerade als sie geglaubt hatte, der Terror wäre endlich vorbei.
Kapitel 38
K athleen kauerte sich im Bett zusammen und legte die Arme über den Kopf. Sie hörte, wie der Mann seine Gürtelschnalle schloss und dann in seine Stiefel stieg.
Sein whiskygeschwängerter Atem hatte sie zum Würgen gebracht, als sie seine Bedürfnisse befriedigte, also hatte sie durch den Mund geatmet.
Jetzt hatte sie einen trockenen Mund und wünschte sich sehnlich einen Schluck Wasser, aber ihre Angst war größer als ihr Durst. Sie lag ganz still und wartete darauf, dass der Mann verschwand, in der Hoffnung, er würde sie nun in Ruhe lassen.
»Das Geld liegt auf dem Beistelltisch. Beim nächsten Mal machst du gefälligst ein bisschen mehr mit, verstanden? Ich musste alles alleine machen. Wenn es beim nächsten Mal nicht besser wird, siehst du mich nie wieder. Und ich werde die anderen vor dir warnen. Kapiert?«
Kathleen nickte und zuckte zusammen, als sie hörte, dass er sich zu ihr herunterbeugte. Sie keuchte ängstlich, als ihr Kopf hochgerissen wurde und sie direkt in seine Augen sah. Sein stoppeliges Gesicht war nur wenige Zentimeter von ihrem entfernt.
»Kapiert?«, wiederholte er.
Sie versuchte zu nicken, aber sein Klammergriff hinderte sie daran. Vor Schmerz traten ihr Tränen in die Augen, und sie konzentrierte sich darauf, ihren Würgereiz vor seinem Atem zu unterdrücken. »Ja«, stammelte sie mit erstickter Stimme. »Verstanden.«
Daraufhin ließ er sie los und verließ das Zimmer, wobei er die Tür hinter sich zuknallte.
Kathleen beugte sich über die Bettkante und erbrach sich auf den Boden. Sie begann zu weinen, als ihr bewusst wurde, wie tief sie gesunken war.
Vielleicht war es ein Fehler gewesen, aus dem Heim zu fliehen, nachdem ihr Baby geboren war. Aber sie
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