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Unter der Haut (German Edition)

Unter der Haut (German Edition)

Titel: Unter der Haut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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ergriff. Agenten des CID waren bei allen Treffen dabei. Weiße Gewerkschafter kamen und erklärten, dass die Neger nicht zu rasch gefördert werden sollten – zu ihrem eigenen Wohl. Die weißen Gewerkschafter waren aus offensichtlichen Gründen immer die leidenschaftlichsten Gegner von Fortschritten für Schwarze. Wir wollten mithilfe dieser Organisation afrikanische Mitglieder gewinnen, doch am Ende gelang uns das bei einem einzigen, und der war ein Spitzel des CID . Der Kommunismus war eine zu abstrakte und zu wenig menschliche Idee, um für Afrikaner attraktiv zu sein – und als es später kommunistische oder marxistische Regime gab, hielten die sich nicht lange.
    Die Kurzgeschichte
Spione, die ich gekannt habe
stammt aus dieser Zeit.
    Wer sich im politischen Leben auskennt, wird nicht überrascht sein, wenn er erfährt, dass einige Leute hart arbeiteten, während andere nur zusahen. Zum Beispiel hatte sich Gottfried verpflichtet, eine große Tanzveranstaltung im Meikles Hotel zu organisieren, um Geld für Medical Aid aufzutreiben. Nachdem die Veranstaltung vorbei war und sich als großartiger Erfolg erwiesen hatte, dämmerte mir, dass ich ja die Plakate und Eintrittskarten hatte drucken, sie in der ganzen Stadt hatte verteilen lassen, Anzeigen geschaltet, bedeutende Sponsoren eingeladen und die Tanzkapelle bezahlt hatte: kurz, die ganze Arbeit gemacht hatte. Unterdessen beglückwünschte man Gottfried öffentlich zu seiner tollen Leistung. Als ich ihn darauf ansprach, antwortete er gedehnt, dass ich damit ein wichtiges Grundprinzip guter Organisationsarbeit gelernt hätte.
    Es gab noch andere Aktivitäten. Eine davon war der Verkauf der kommunistischen Zeitung aus Kapstadt, des
Guardian.
Dafür war ich verantwortlich. Eine Zeit lang verkaufte ich jede Woche einhundertzwölf Dutzend. Allerdings stieg mir dieser Erfolg kein bisschen zu Kopf, denn es war leicht erkennbar, dass manche Gründe, die für diese bemerkenswerten Verkaufszahlen sorgten, nicht unbedingt verdienstvoll waren. Ich reichte mehrere Dutzend Zeitungen an die Camps der Royal Air Force weiter. Das Bild von Uncle Joe, Josef Stalin, hing überall an den Wänden, wenn auch die Rührseligkeit, mit der man von ihm sprach, etwas befangen wirkte und sich an der Grenze zur Parodie bewegte. Der Großteil dieser Zeitungen wurde nicht verkauft, doch wenn man sie herumliegen ließ, hatten sie eine zufriedenstellende aufreizende Wirkung auf die Bürokraten aus den Camps. Und obwohl ich mich gegen das Eingeständnis sträubte, dass es von Belang sein könnte, war Genossin Tigger eine attraktive junge Frau, erfüllt von jener Ernsthaftigkeit, die so oft die Hingabe an eine andere Art Vergnügen zu garantieren scheint. Aufgrund meiner absurden hohen Gesinnung fiel es mir anfangs schwer zu erkennen, dass sexhungrige, liebesdurstige, heimwehkranke junge Männer es regelrecht genossen, diesem hübschen Kommunistenweib aus der Stadt zuliebe den
Guardian
zu kaufen. Genauso verkaufte ich jede Woche ganze Stapel an die billigen Cafés und Restaurants, wo man froh war, sie bei sich auf den Tresen legen und so Kunden anlocken zu können – diese Kunden waren wir, denn wir liefen in Gruppen von manchmal bis zu zwanzig Leuten herum und zogen weitere Gruppen nach. Und es gab die Verkäufe im Farbigenviertel, wo die Leute die Zeitung auch tatsächlich lasen. Außerdem hatten wir Einzelabonnenten.
    Und was verkauften wir? Was der
Guardian
und andere kommunistische oder der Linken nahestehende Blätter über die Sowjetunion behaupteten, war falsch, obwohl einige Leute die Zeitung gerade wegen der »politischen Analysen« kauften. Aber die Artikel und Informationen über die Situation der Afrikaner, der Farbigen, der Inder entsprachen der Wahrheit. Keine andere Zeitung im südlichen Afrika bot etwas Vergleichbares, denn sie befanden sich alle bestenfalls auf dem Niveau von: »Es liegt in unserem eigenen Interesse, ihre Lage zu verbessern«, »Sie wissen nicht zu schätzen, was wir für sie tun« oder »Sie verstehen nur eine ordentliche Tracht Prügel«. Was den Großteil der Leute in Bezug auf den
Guardian
aus der Fassung brachte, war nicht die Sowjetunion – sie war schließlich unser heldenhafter Verbündeter unter der Führung des guten alten Uncle Joe –, sondern die Haltung gegenüber den Afrikanern, die immer noch »Kaffern« oder »Neger« genannt wurden – oder »Eingeborene«, wenn jemand höflich zu sein versuchte.
    Woran glaubten wir, was waren die Ideen,

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