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Unter der Haut (German Edition)

Unter der Haut (German Edition)

Titel: Unter der Haut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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Und dann geschah etwas: Die beiden Hunde holten uns ein, leckten uns die Hände und jaulten und sprangen um uns herum. Was habt ihr vor? Wo wollt ihr hin? An die Hunde hatten wir nicht gedacht. Wir sagten einander, dass wir nicht weglaufen konnten, weil die Hunde mitkommen würden, und liefen den dunklen Weg durch den Busch zurück, hinauf zum Haus auf dem Hügel, die Hunde machten ein Spiel daraus, sie sprangen und bellten … Wir flüchteten in unser Zimmer und in die Betten. Wir kicherten und lachten und kreischten vor Erleichterung, und die Hunde legten sich still wieder auf ihre Plätze im Lampenlicht. Am nächsten Tag erzählte ich meiner Mutter, dass wir weggelaufen seien, schreckliche Angst bekommen hätten und zurückgekommen seien, aber es war Tigger, die die Geschichte erzählte, es war eine lustige Geschichte, und Mutter glaubte mir nicht.
    Aber mein Lachen war nicht echt. Ich schämte mich schrecklich. Ich hatte alles so sorgfältig geplant, aber nicht an die Hunde gedacht. Es lag alles nur daran, dass ich ein Kind war, das war es. Ich musste schnell erwachsen werden.
    Der Vorfall mit der abgebrannten Hütte bestätigte mir das. Mein Vater war von der Angst besessen, dass das Strohdach Feuer fangen könnte, und das mit gutem Grund. Wenn sich Buschfeuer bis in unsere Nähe ausbreiteten, flogen Funken und schwarze Grasbüschel durch die Luft, von denen manche im Inneren rot glühten. Dann wurden die Arbeiter mit dem Pflugschar-Gong von den Feldern gerufen, und sie kletterten auf Leitern oder auf den Baumhausbaum oder über Holzpfähle aufs Dach und reichten sich Benzinkanister voll Wasser zu. Und schon bald war das Strohdach getränkt und sicher. Dann war der Wasserkarren leer, und auch die große Zisterne, die sich bei Regen immer wieder auffüllte. Eines Tages rief mich mein Vater zu sich, um mir zu sagen, dass ich auf gar keinen Fall mit Zündhölzern spielen dürfe, weil man auf diese Weise leicht das ganze Haus in Brand stecken könne. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, mit Zündhölzern zu spielen, aber jetzt konnte ich an nichts anderes mehr denken. Ich habe es noch genau vor Augen. Er saß auf seinem Klappstuhl hinter dem Haus und sah zu, wie das Dach mit frischen, langstieligen Gräsern ausgebessert wurde, das alte, elefantengraue Stroh durch gelbes ersetzt wurde. Ich musste irgendetwas anstecken. Ich musste einfach. Und mit welcher Schlauheit und List bin ich dann zu Werke gegangen. Ich nahm mir vor, den kleinen Unterstand für die Hunde anzuzünden – den sie ohnehin nie benutzten. Ich wusste, dass es eine gute Stunde gedauert hatte, um ihn zu errichten: Er bestand nur aus Pfosten mit einem Dach aus Stroh. Für den Wiederaufbau würde man nicht mehr als eine Stunde brauchen, und er würde kaum Geld kosten. Als meine Eltern ums Haus verschwanden und die Dachdecker herabgestiegen waren, strich ich ein Zündholz an und steckte den Unterstand in Brand. Der Haken aber war, dass er unter dem Vordach der Vorratshütte stand, die ebenfalls mit Stroh gedeckt war und die sich nur wenige Schritte vom Haus entfernt befand. Kaum fing die kleine Hütte Feuer, da sprangen die Flammen auch schon auf die Vorratshütte über, die ebenfalls sofort lichterloh brannte, dass die Funken stoben. Das hatte ich nicht vorausgesehen. Panik. Angst und Schrecken. Ich rannte schluchzend los in den Busch. Ich dachte, unser Haus würde abbrennen und mit unserer Familie wäre es aus, denn wir hatten nichts als das, was in dem alten Haus war.
    Ich kauerte mich mit dem Rücken an einen Baum und hörte, wie auf die Pflugschar geschlagen wurde, hörte die Rufe der Männer, als sie durch den Busch bergan gelaufen kamen. Ich konnte nicht mehr abseitsbleiben. Ich schlich an den Rand des Busches, von wo aus ich das Haus sehen konnte und die Männer auf dem Dach, mit den Wasserkanistern, und dahinter die brennende Vorratshütte. Die Hunde irrten bellend umher oder standen still mit eingezogenen Schwänzen da. Und wo waren die Katzen? Dann versanken die Flammen in dem schwarzen Haufen, der einmal die Vorratshütte gewesen war, und die Luft war voll mit Rauch und brennenden Grasklumpen. Mein Kleid hatte Rußflecken. Meine Mutter kam den Hang hinuntergelaufen, um mich zu suchen: Die Eltern wussten genau, wer die Brandstifterin war. Es sei besser, wenn ich die Wahrheit sagte, meinten sie, und ich gestand. Was ich mir hatte zuschulden kommen lassen, war so ungeheuerlich, dass ihnen keine der üblichen Strafen angemessen erschien. Sie

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