Unter Tage
…«
»… ist eine Sensation auf dem Gebiet der Unterhaltungsindustrie!« verbesserte sich Trusk schnell. Sein Blick wurde starr, richtete sich auf imaginäre Zuschauer. »Lieben Sie Afrika? Afrika, den fernen, schwarzen, geheimnisvollen Kontinent? Urwald, Safari, Menschenfresser, der mysteriöse Kongo – sind das die Objekte Ihrer heimlichen Träume? Fehlte Ihnen bisher das Geld, die Zeit, um diesen Traum Wirklichkeit werden zu lassen?
Aber Sie brauchen jetzt nie mehr darauf zu verzichten! Wann Sie wollen, so oft Sie wollen: Das Sensikino versetzt Sie in Nullzeit nach Afrika, zum Ort Ihrer Träume! Sie sind tatsächlich dabei!
Sie schmecken die schwüle Dschungelluft, erlegen Löwen und bengalische Tiger mit einer Elefantenbüchse …«
»Bengalische Tiger in Afrika? Im Dschungel Löwen?« unkte deBorre.
»… fischen Piranhas mit einem Holzspeer, erwürgen mit eigener Hand eine Anakonda; Sie persönlich! Und es ist real! So real, daß Ihr wirkliches, langweiliges Leben verblaßt!«
DeBorre ächzte. »Piranhas? Anakonda? Trusk, ich …«
»Seien Sie nicht so kleinkariert, deBorre«, verwies ihn Cornings mild. »Mit Pedanterie kommen Sie nie zu etwas! Die Phantasie kennt keine Grenzen, nicht wahr, Trusk?«
»So ist es, Mister Cornings«, nickte Trusk eifrig. Er befeuchtete seine breiten Lippen. »Und in der langen afrikanischen Nacht die Romantik des urwüchsigen Lagerlebens! Im Hintergrund die Geräusche des ungezähmten Dschungels: Der Uhu krächzt, der Kolibri trillert, Grillen zirpen, Affen kreischen, oben am hell strahlenden Mond kreist träge der Geier, während Sie am gemütlichen knisternden Lagerfeuer sitzen und Kaffee mit Cognac schlürfen, an der Seite einer verführerischen, nur mit einem knappen Lendenschurz bekleideten Frau, einer bekannten Filmschauspielerin, vielleicht …«
»Moskitos!« krächzte DeBorre. »Wolkenbrüche! Schlangen!«
»Und von kleinen Retuschierungen abgesehen«, schloß Trusk unbeeindruckt, »haben Sie Afrika besser kennengelernt als auf einer vierwöchigen, teuren, unbequemen, gefährlichen Urlaubsreise! Alles nach dem Slogan: Jeder sein eigener Dr. Livingstone!«
Cornings blies deBorre eine fette Rauchwolke ins Gesicht.
»Nun, was halten Sie davon? Die Idee erscheint mir erfolgversprechend. Könnten Sie so etwas auch schreiben?«
DeBorre räusperte sich. »Hören Sie, Mister Cornings, habe Königin des Amazonas, Prinzessin am roten Nil und Tarzano, Enkel des Urwaldkaisers geschrieben …«
»Keine Details!« forderte Cornings.
»… aber Trusk wirft einiges durcheinander. Leute werden schreien, wenn ihnen Afrika in dieser Form …«
»DeBorre«, sagte Cornings sanft, »Sie sind ein guter Schriftsteller, das wissen Sie, das weiß ich, aber gleichzeitig sind Sie ein lausiger Marktstratege! Wie viele von unseren Zuschauern, glauben Sie, sind jemals in Afrika gewesen, hm?«
»Ist doch kein Grund, um …«
»Und wie viele von unseren Zuschauern möchten Afrika so erleben, wie es tatsächlich ist? Ich werde es Ihnen sagen, deBorre! Niemand! Begreifen Sie? Die Leute haben kein Interesse an der Wirklichkeit! Die Leute wollen das sehen, was den Dingen entspricht, die sie sich ausmalen.
Warum, meinen Sie, hatte Hollywood damals einen derartigen Erfolg? Weil es die Wirklichkeit zeigte? Kein einziger Hollywood-Film hat jemals die Wirklichkeit gezeigt! Nein, Hollywood war so erfolgreich, weil es den Menschen anbot, wonach sie sich sehnten, und das waren Träume, Vorurteile, Spinnereien!
Glauben Sie einem alten Filmhasen, deBorre, und hören Sie auf, Realismus zu produzieren. Die Leute mögen das nicht. Und, am Rande bemerkt, ich mag ebenfalls nichts davon wissen.«
Trusk hob die Hand. »Ich finde, wir sollten das Afrika-Projekt zurückstellen«, schlug er begütigend vor. »Außerdem bin ich mir sicher, daß mein Freund Marcel ebensowenig Interesse hat wie Sie, Mister Cornings. Warum uns also streiten?
Konzentrieren wir uns doch lieber auf das Science Fiction-Epos. Schließlich ist Die Erde schweigt noch nicht fertig. Äh, um es genau zu sagen, haben wir im Augenblick nur die erste Szene im Kasten.«
Cornings hustete. »Genau darüber wollte ich mit Ihnen sprechen, meine Herren! So leid es mir tut und so sehr ich auch Ihre künstlerische Unabhängigkeit respektiere – wir kommen nicht umhin, einige – natürlich kleine – Änderungen vorzunehmen.«
»Änderungen?« zischte deBorre aufgebracht. »Denken Sie, ich verstehe mein Handwerk nicht? Habe zwanzig oder
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