Unter uns Pastorentoechtern
Vikar der Pfarrgemeinde erkannt. Dementsprechend gab man mir einen Ehrenplatz in der ersten Reihe zwischen den Diakonen und ihren Frauen. Nach ihren Gesprächen zu urteilen, sahen sie der bevorstehenden Zerstreuung eher besorgt als begeistert entgegen.
„Ich habe gehört, daß er in einem Lied ziemlich sarkastische Sachen über den Beveridge-Bericht sagt“, sagte ein rotgesichtiger Mann. „Es fehlt nicht viel, und er fängt an, die Labour Partei zu kritisieren. Ein Geistlicher sollte sich nicht politisch betätigen.“
„Nicht nur das“, fügte eine Dame hinzu, „die Kostüme, die die Frauen tragen, sind zum Teil wirklich ein bißchen... ihr wißt schon.“
Diese Bemerkungen wurden von den anderen in der ersten Reihe mit einem zustimmenden Gebrumm aufgenommen. Offenbar stand mir ein interessanter Abend bevor.
Die erste Nummer auf dem Programm war als „großes Halali“, vorgetragen vom Ensemble, angekündigt. Das „Ensemble“ bestand aus acht angereiften Damen, gekleidet in Jagdjacken in verschiedenen Schattierungen von Pink und Rot über sehr kurzen Röcken, unter denen in unterschiedlichem Maße gewölbtes weibliches Fleisch zum Vorschein kam. Sie trugen Zylinderhüte aus schwarz bemalter Pappe.
Jede von ihnen hielt einen Stock vor sich, der eine Reitgerte darstellen sollte. Dieser wurde von sechs der Darstellerinnen mit ausgestreckten Armen und von zwei Damen im Hintergrund mit halb ausgestreckten Armen gehalten. Damit sollte Reiten angedeutet werden.
„Auf, auf zum fröhlichen Jagen“, sangen sie nicht ganz treffsicher, aber um so eifriger; ihre vokalistischen Bemühungen waren ebenso klotzig wie ihre tänzerische Darbietung. Die Choreographie bestand aus zwei Schritten vor, gefolgt von zwei Schritten zurück, wiederholt ad nauseam durch die ganze Nummer hindurch.
In dieser Routine gab es nur eine Variation. Die kam, als sie zu „Zwischen Berg und tiefem, tiefem Tal“ übergingen. Als sie an die Stelle kamen, wo der Jäger die Hasen niederschießt, hoben sechs von ihnen die Stöcke an ihre Schultern, während die beiden Damen im Hintergrund weiter auf ihren Pferden ritten. Offensichtlich waren die letzteren der Ansicht, daß Hasen nicht von Leuten zu Pferd gejagt wurden.
Der Vorhang schloß sich unter großzügigem Applaus von Verwandten und Freunden der Darstellerinnen, während der Rest des Publikums müde und unentschlossen ein paarmal in die Hände klatschte.
Sodann folgte ein Altsolo „Bist du betrübt?“ Die Frage war wohl an Molly Williams am Klavier gerichtet, die große Schwierigkeiten mit Händels Musik hatte. Ein Gedichtvortrag von Madame Rees-Morris kam als nächstes. Unter dem Titel „Das einzige Haar“ beschrieb das Gedicht die Hingabe eines kahlköpfigen Mannes an das letzte verbliebene Zeugnis seines einstigen vollen Schopfes. Dieses Haar fiel ihm eines Tages in einem Restaurant in die Suppe. Er holte es wieder heraus, trocknete es und steckte es in seine Brieftasche. Dann brachte er es zu einem Tierpräparator und ließ es ausstopfen. All dies wurde vorgetragen, als wäre es ein Monolog aus Hamlet. Gelacht wurde nicht, doch am Ende hatten alle höchste Achtung vor der vorzüglichen Sprechtechnik, die gezeigt worden war.
Der nächste Punkt im Programm war eine „Ausgewählte Nummer von Adeline Simons“. „Das ist also ihr Name“, dachte ich, „süße Adeline.“ Der Vorhang öffnete sich, und Mrs. Simons kam mit einem blauen Haarreif in ihrem wasserstoffblonden Haar und einem Alice-Blue-Kleidchen zum Vorschein. „Jetzt kommt bestimmt ,In meinem süßen kleinen Alice-Blue-Kleid’“, dachte ich mir. Ich irrte mich.
Sie lächelte affektiert ins Publikum und nickte Molly am Klavier zu. Vom ersten Ton an war nicht zu überhören, daß etwas nicht stimmte. „Daddy will mir keinen...“, sang sie. Molly spielte dazu etwas, das wie große Oper klang. Der Mißklang dauerte einige Sekunden lang an und erstarb dann in einer Totenstille.
Mrs. Simons trat vor an den Rand der Bühne. „Was spielst du da, Molly?“ fragte sie.
„Ich spiele ,Mein Held“ aus Der tapfere Soldat “, sagte Molly beleidigt.
„Aber so haben wir es nicht besprochen“, verkündete Mrs. Simons in heller Wut. „Ich habe ausdrücklich gesagt: Zuerst ,Daddy will mir keinen Wauwau kaufen“ und dann ,Mein Held’.“
„Tut mir leid, Addie“, erwiderte Molly, „aber du hast es mir anders herum gesagt, da bin ich ganz sicher.“
„Ich bin mir aber auch sicher.“
Das Publikum lauschte
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