Unterdruck: Ein Dirk-Pitt-Roman (German Edition)
ihrer Luftflasche, wobei sie unbewusst ihren Aufstieg ans Tageslicht beschleunigten.
Dirk schaute nach oben und sah ein silbernes Flirren hoch über ihren Köpfen. Sie waren jetzt nahe genug, um bis an die Oberfläche zu gelangen, sogar dann, wenn Summers Luftvorrat erschöpft war. Dafür hatten sie inzwischen ein anderes Problem.
Bei einem längeren Aufenthalt in großer Wassertiefe bilden sich winzige Stickstoffbläschen im Körpergewebe. Wenn ihnen nicht mittels behutsamer Druckreduzierung die Möglichkeit geschaffen wird, sich aufzulösen und zu verflüchtigen, können diese Gasbläschen die schmerzhafte und manchmal tödliche Dekompressionskrankheit auslösen.
Dirk schätzte, dass sie sich etwa fünfzehn Minuten lang auf dem Meeresgrund aufgehalten hatten. Laut den Tauchtabellen der Navy waren in diesem Fall mehrere Dekompressionspausen nötig, aber diesen Luxus konnten sie sich nicht leisten. Sie stiegen bis auf etwa sieben Meter auf und blieben dort in Position. Ihr natürlicher Auftrieb und die starke Strömung machten dies zu einer erheblichen Strapaze, doch er achtete darauf, dass sie in Position blieben.
Sie hingen für weitere zehn Minuten an der Luftflasche, bis Summer den Atemregler ausspuckte und nach oben deutete. Nun schossen sie zur Wasseroberfläche hinauf und atmeten dabei langsam und gründlich aus.
Ihre Köpfe tauchten inmitten von kabbeligen Wellen mit kleinen weißen Schaumkronen auf. Die Sonne war bereits untergegangen, und der Himmel hatte das dunkle Grau von Zinn angenommen. Diese äußeren Bedingungen hatten zur Folge, dass sie für ein vorbeifahrendes Schiff so gut wie unsichtbar waren, selbst wenn es gezielt nach ihnen suchte. Aber dies war nicht der erste Gedanke, der Summer durch den Kopf ging.
Während sie tief einatmete, wandte sie sich zu ihrem Bruder um. »Eine Fahnenstange?«
»Das war das Beste, was ich unter den gegebenen Umständen finden konnte. Wie geht es dem Fuß?«
»Der Fuß ist okay, aber ich habe einen schmerzhaften Krampf in meinem Knöchel.« Sie musterte ihn besorgt. »Ich glaube, wir haben nicht annähernd unsere Dekompressionspausen eingehalten.«
Dirk schüttelte den Kopf. »Nein, aber fast. Spürst du irgendwo ein Jucken?«
»Ich bin viel zu betäubt, um überhaupt irgendetwas zu spüren.«
»Wir könnten heute Nacht in der Dekompressionskammer der Alexandria schlafen.« Er suchte den Horizont ab. »Unser nächstes Problem.«
Schließlich entdeckte er das NUMA -Schiff weit im Westen. Der dunkle Streifen der Küste von Madagaskar war in geringerer Entfernung im Norden zu erkennen.
»Die Alexandria liegt stromaufwärts«, sagte Dirk. »Für uns unmöglich schwimmend zu erreichen.«
»Wahrscheinlich sind sie längst hier vorbeigekommen und kehren jetzt mit einem Sonar zurück, um das Tauchboot zu suchen. Wenn sie erst mal hier sind, sind wir aber längst bis nach Australien abgetrieben.«
»Dann müssen wir zur Küste«, entschied Dirk. »Hast du Lust auf ein wenig Schwimmen?«
»Hab ich eine Wahl?«
Sie warf einen Blick auf die Küstenlinie, tauchte das Gesicht ins Wasser und schwamm los. Sie waren beide hervorragende Schwimmer und in Topform. Normalerweise wäre die Strecke durch freies Wasser bis zur Küste allenfalls eine anstrengende Übung gewesen. Doch die mentale Belastung, die mit ihrem Entkommen aus dem U-Boot zusammenhing, kombiniert mit dem langen Aufenthalt im eisigen Wasser, verwandelte diese sportliche Strapaze in einen Kampf auf Leben und Tod. Summer konnte nicht glauben, wie schnell in ihren Armen und Beinen das Gefühl entstand, sie seien aus Blei.
Die unruhige See war dabei keine Hilfe. Die Wellen warfen sie manchmal hin und her und füllten ihnen den Mund mit Salzwasser. Zur Küste zu schwimmen bedeutete, dass sie sich auch gegen die Strömung wehren mussten. Zudem trug sie jeder Schwimmzug zur Küste die nahezu gleiche Strecke nach Osten und damit von der Alexandria weg.
Sie schwammen nebeneinander und legten alle zehn Minuten eine kurze Pause ein. Wassertretend holte Dirk dann die Taschenlampe aus der Tasche und wedelte mit dem Lichtstrahl in Richtung des Forschungsschiffes. Während ihrer dritten Pause rutschte ihm die Lampe aus den tauben Fingern und versank in der Tiefe wie eine Kerze in einem Brunnen. Mittlerweile schien sich das NUMA -Schiff noch weiter von ihnen entfernt zu haben und war nicht mehr als ein gelegentlich tanzender Lichtpunkt am Horizont.
Dirk wandte sich zu Summer um. »Komm, wir haben nur noch eine
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