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Unterm Messer

Unterm Messer

Titel: Unterm Messer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Rossmann
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Morgendämmerung und eines, das die Schönheitsklinik und dahinter, wie mahnend, das alte schmucklose Kloster zeigt, sind sehr gut geworden.
    Ich tippe: „Dort, wo sich Schöne und solche, die schön werden wollen, die Klinke in die Hand geben ...“ Die Blätter meines Riesenphilodendrons geraten in Unruhe, ein Fluch über „das dumme Grünzeug“ und dann ist Droch neben meinem Schreibtisch. Er ist Chefkommentator im ,Magazin‘, einer der ganz wenigen ernst zu nehmenden Journalisten unserer Zeitung. Seit Jahrzehnten im Rollstuhl. Das hat mit einer, gelinde gesagt, übermütigen Aktion als junger Kriegsberichterstatter zu tun. Droch ist der einzige echte Freund, den ich in der Redaktion habe. Da bin ich mir heute, nach dem Umfaller meines Chefredakteurs, wieder einmal besonders sicher. Beinahe wäre er einmal mehr als ein Freund geworden, aber das ist über ein Jahrzehnt her. Kann das sein? Ich rechne nach: Ist es.
    „Du willst was über den Lover der Nonne wissen, nicht wahr?“, spöttle ich. Ist ohnehin der bessere Zugang. Ich sollte das Ganze nicht so ernst nehmen.
    „Unser Geschäftsführer hat dich davon überzeugt, dass der arme Grünwald das eigentliche Opfer beim Mord in seiner Klinik war, oder?“ Er grinst. „Hat er zumindest gesagt.“
    „Soll er es nur glauben“, kontere ich.
    Droch sieht mich besorgt an. „Du wirst nicht versuchen, eine ganz andere Story in die nächste Ausgabe zu bringen?“
    Ich schüttle den Kopf. „In die nächste Ausgabe nicht, versprochen.“
    „Das heißt, du weißt mehr, als du ihnen präsentiert hast.“
    „Nicht viel mehr“, seufze ich und habe endlich eine vernünftige Idee. Wenn ich einen wirklich analytischen Geist kenne, dann ist es Droch. Vielleicht gelingt es ihm, aus unserem Durcheinander von Fakten und Vermutungen eine halbwegs geordnete Theorie zu entwickeln. Ich fange an zu reden und beginne beim Kloster, springe zu den Lateinamerikanern, erinnere mich an die Mäuse. Droch sieht mich etwas belustigt an.
    „Wie wäre es mit Abendessen?“, schlage ich vor. „Ich koche und erzähle alles der Reihe nach.“
    Droch lächelt immer noch. „Ganz dunkel kann ich mich erinnern: Als sie noch ein junges Mädchen war und er noch kein Greis, da haben sich die beiden in einer kleinen Hütte am Fluss getroffen ...“
    Ich werde tatsächlich rot. Scheint mir in letzter Zeit öfter zu passieren. „Meine Güte, ist das lange her“, rufe ich etwas zu laut.
    „Meine Frau ist heute mit einer Freundin in einem Konzert“, überlegt Droch. „Der Zeitpunkt wäre günstig ...“
    Wie meint er das?
    „... aber Oskar sollten wir nicht ausbooten, oder?“, fährt er fort.
    „Sollten wir nicht“, sage ich, doch irgendwie beruhigt.
    „Und Vesna, die hat doch sicher auch eine Menge beizutragen?“
    „Die ist noch in der ,Beauty Oasis', erkläre ich.
    „Oho, es geht also weiter.“
    „Davon kannst du ausgehen.“
    „Ich soll übrigens deine Story lesen, bevor sie in Druck geht“, gesteht Droch. „Sie haben gemeint, mir springst du am wenigsten an die Gurgel.“
    Entzückend formuliert. Als ob ich eine Furie wäre. „Ich bevorzuge die Gurgeln derer, die ihren Kopf besonders hoch tragen“, sage ich zu meinem Freund im Rollstuhl. Er nickt gespielt feierlich. „Pass auf, unsere Oberverkäufer lieben ihre ,höchsten Kreise' - vor allem, wenn diese Inserate schalten.“
    „Man sollte sie zu den obersten Schaltkreisen ernennen“, witzle ich und Droch drückt mir einen Kuss auf die Wange.
    Wir haben uns entschieden, in Oskars Wohnung zu essen. Sie ist — im Gegensatz zu meiner alten Wohnung — barrierefrei erreichbar. Droch nimmt einfach den Lift und schon ist er unter dem Dach. Bei mir gab es fünf Stockwerke zu erklimmen. Unmöglich für einen Menschen im Rollstuhl. Jetzt wohnt Oskars Tochter in meiner Wohnung, allerdings ist sie momentan noch in den Sommerferien.
    Wäre auch eine Idee, sie in die „Beauty Oasis' einzuschleusen. Eine achtundzwanzigjährige attraktive junge Frau mit Schweizer Pass. Keiner käme auf den Gedanken, dass die irgendetwas mit mir zu tun hat. Viel Zeit habe ich nicht, etwas zu kochen. Auf dem Weg in die Wohnung bin ich nur rasch beim türkischen Supermarkt stehen geblieben. Ein paar Dinge werden sich schon auch im Kühlschrank und im Gefrierschrank finden. Ich sollte wieder mehr daheim sein. Wenn ich nicht einmal mehr weiß, was im Kühlschrank ist ... Was ich außerdem noch unterwegs erledigt habe: Ich habe Oskar gebeten, etwas über die

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