Unterm Messer
hat mit seinem Kerngeschäft nichts zu tun.“ Ich nicke friedlich. „Ich soll Ihnen schöne Grüße von Natalie Veith ausrichten.“
Er springt auf. „Daher weht also der Wind! Hat sie Ihnen auch erzählt, dass das Gerichtsverfahren eingestellt wurde? Dass keiner Grund zur Annahme sah, man habe ihr irgendwelche Forschungsergebnisse geklaut? Dass wir gemeinsam, und das im Auftrag der ,Grünwald-Group‘, geforscht haben? Die ist doch paranoid! Ganz abgesehen davon, dass sie sich über Schönheitsoperationen und die Leute, die sie durchführen, lustig macht! Eine überhebliche Zynikerin ist sie! Sie hätte nie ...“ Er holt tief Luft und setzt sich wieder. „Tut mir leid“, sagt er dann. „Ich dachte, ich rege mich nicht mehr über sie auf. Aber sie hat ausgiebig versucht, uns zu schaden ... Und das alles bloß, weil ich sie habe sitzen lassen.“
Wird ja immer besser. Melodram, zweiter Teil. Liebesaffären und Todesfälle ohne Hochzeiten rund um die Schönheitsklinik.
„Frauen da können sehr nachtragend sein“, ergänzt Vesna und nickt mit dem Kopf.
„Nachtragend? Sie hat mich verfolgt. Sie hat unser Labor verlassen und alles getan, um mich und unsere ,Beauty Oasis' schlechtzumachen. Bitte!“ Er sieht mich mit beinahe flehendem Blick an. „Glauben Sie ihr nichts! Prüfen Sie in Ihrem eigenen Interesse nach, was sie sagt!“
„Das Ende Ihrer Beziehung ist jetzt wohl fast fünf Jahre her“, werfe ich ein. Natalie Veith hat auf mich nicht gerade den Eindruck der ewig leidenden verlassenen Geliebten gemacht.
„Sie ist Wissenschaftlerin“, antwortet er bitter. „Ihr Liebesieben ist immer zu kurz gekommen. Bis ich kam.“
Oh du meine Güte, ein Frauenbeglücker. Okay, er sieht ganz nett aus, schlank, groß, dunkelhaarig. Ein wenig zu adrett für meinen Geschmack. „Und warum haben Sie sie verlassen?“
„Ich ... ich bin einige Monate jünger als sie. Wir haben uns über die Genforschung kennengelernt. Ich wollte mehr im Leben. Nicht dass Sie glauben, ich bin kein ernsthafter Wissenschaftler. Aber ich weiß, dass es auch ein Leben außer dem unter dem Elektronenmikroskop sichtbaren gibt.“
Klingt nach heimlichen Beziehungen zu jungen Krankenschwestern und so. Ich sehe auf die Uhr. Viel Zeit habe ich nicht mehr, wenn ich pünktlich bei Inspektor Knobloch sein will.
„Was glaubt Dr. Veith denn, dass Sie ihr gestohlen haben?“
„Das ist für Außenstehende etwas kompliziert. Außerdem ist das Verfahren eingestellt.“
„Dr. Veiths Spezialgebiet ist die genetische Alternsforschung. Hat es damit zu tun? Forschen Sie auch in diese Richtung?“
Der junge Wissenschaftler seufzt und wirft mir einen Blick zu, der wohl verführerisch wirken soll. „Kein Thema, mit dem Sie sich schon beschäftigen müssten.“
„Ich tue es trotzdem“, sage ich trocken.
„Also: Der Schwerpunkt unserer Forschungen liegt woanders, wir haben fantastische Anti-Aging-Cremes entwickelt, wir optimieren Präparate, die den Körper dabei unterstützen, jung und fit zu bleiben. Das geht hin bis zu Tests zur Verträglichkeit von Implantaten. Wir haben Programme entwickelt, um für jede Person das individuell geeignetste Produkt herauszufinden. Etwas, mit dem sich herkömmliche Schönheitskliniken viel zu wenig beschäftigen.“ „Seltsam“, erwidere ich. „Frau Dr. Veith hat über etwas ganz anderes gesprochen. Jetzt erinnere ich mich. Sie hat Sie schön grüßen lassen und gemeint, sie sei auf sehr interessante Ergebnisse bei diesem Wurm, dem ,Elegans‘ oder so, gestoßen. Dinge, die weit über das hinausgingen, was sie gemeinsam im Grünwald-Labor herausgefunden hätten.“
Dr. Schilling lacht spöttisch. „Die mit ihrem Fadenwurm! Natürlich ist das ein interessantes Versuchstier, aber ... um wirklich damit einen Durchbruch zu erreichen, ist es zu klein, zu wenig komplex.“
„Mäuse sind da besser?“, frage ich so harmlos wie möglich.
Er sieht mich scharf an.
„Na ja, heißt es immer. - Sie betreiben also doch auch Genforschung“, fordere ich ihn heraus.
„Mäuse sind uns schon etwas näher. Und die Genforschung ist ein sehr weites Feld, Frau Valensky. Es stimmt schon, dass wir auch in Richtung Lebensverlängerung forschen. Quasi nebenbei. Aber darüber würde ich Sie bitten nichts zu schreiben. Seit den dummen Aktionen einiger Aktivisten haben Menschen sogar etwas gegen Gene an sich. - Sie kennen doch sicher die Aussprüche von den ,genfreien Lebensmitteln'? So etwas Lächerliches! Ohne Gene gibt es
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