Unterm Messer
Frauen aus der ,Beauty Oasis' haben erzählt, dass Schilling für seine ,Techtelmechtel' bekannt war. Und ich habe herausgefunden, dass es eine Triathletengruppe gibt, die seit einiger Zeit sehr erfolgreich ist. Sie wird von ,Beauty&Young‘ gesponsert. Die Resveratrol-Pillen scheinen nicht unter Doping zu fallen.“
Vesna nickt. „Ich habe in Fitnesscenter auch etwas gehört: Schilling hat sich sehr für Sportler engagiert, hat immer wieder Tests gemacht mit ihnen, aber auch mit Stammkunden von Schönheitsklinik.“
Das würde ganz gut zu dem passen, was mir die Genetikerin erzählt hat. Vesna wird zunehmend aufgeregt, als ich die Zusammenhänge zwischen lebensverlängernden Mitteln, genetisch angehobenem Aktivitätspotenzial, Muskelwachstum, Gendoping und Menschenversuchen rekapituliere.
„Ich habe in Fabrik auch etwas gehört. Packerinnen haben erzählt, dass Fahrer sehr sauer sind. Haben Zusatzschichten in der Früh gehabt und das nur, weil sie von ,Beauty Oasis' Kisten zu einem Hof müssen führen.“
„Haben sie erzählt, was drin war?“
„Habe ich mich nur mit einem unterhalten, ist besser so. Ist ein netter Mann, kommt aus Kroatien, ich habe da keine Vorurteile, nur weil ich bin aus Bosnien.“
„Und?“
„Na gut. War Futter für Tiere auf dem Hof und Möbel, die keiner mehr hat gebraucht. Und etwas in einem ganz verschlossenen Container, aber das hat andere Firma hingeliefert.“
„Wo ist der Hof?“
Vesna grinst. „Ist gar nicht weit. Habe schon zwei und zwei zusammengezählt und habe angesehen, was dort ist in der Gegend. Tante hat Zimmer, gleich in der Nähe. Ist sehr ordentliche Fremdenpension, wie es aussieht. Habe zwei Zimmer für uns reserviert.“ „Was für eine Tante?“
„Was weiß ich, Tante von wem. Kroatischer Fahrer hat nur von ,Tante' geredet.“
„Weiß Karl Simatschek davon?“, will ich wissen.
„Von Tante?“
„Von der Lieferung.“
„Du bist verrückt? Er ist sehr netter Mann, aber er ist bei Polizei, zumindest mehr oder weniger.“
[ 12. ]
Das Steirische Vulkanland ist schön. Es ist Sommer. Zwei Touristinnen aus Wien sind eben erst angekommen. Gute Freundinnen, aber sie nehmen doch lieber zwei Einzelzimmer. Es stimmt schon, selbst in dieser Gegend gibt es zentralere Plätze. Eine Viertelstunde braucht man von hier überallhin. Zur Burg, zum Schokoparadies, zur ,Oasis‘ , nach Feldbach. Früher hat man gemeint, dass sich an so einem Ort die Füchse Gute Nacht sagen. Heute gibt es Menschen, die die Abgeschiedenheit zu würdigen wissen. Drüben, gerade so weit entfernt, dass man die Schweine nicht riecht, ist der Bauernhof. Schon lange in Familienbesitz. Vor einer Generation hat es so ausgesehen, als könne man von der Landwirtschaft nicht mehr leben. Man hat nach Zusatzeinnahmen gesucht. Da ist das Haus mit den „Fremdenzimmern“, wie es hier noch immer heißt, entstanden. Aber: Als Gäste sollen sie sich fühlen, die Fremden. Eigentlich sind es inzwischen ja schon zwei Häuser. Vor vier Jahren hat die Tante einen neuen Trakt drangebaut. Richtig schick, mit einigen kleinen Appartements drin. „Weinlodge“ steht drauf. Und es ist ihr sogar gelungen, vier davon auf Dauer zu vermieten. Frühstück macht sie für alle Gäste, egal wie lange sie bleiben. Eine Nacht oder einen Monat oder mehr als ein Jahr. Das Frühstück allein ist Grund genug, herzukommen. Aber auch am Nachmittag fühlt man sich hier wohl. Man sitzt unter dem alten Kastanienbaum am großen, rund um den Stamm gezimmerten Tisch, schaut über die Felder auf der einen Seite, über die Hügel auf der anderen Seite, in den Wald hinter dem Bauernhof. Weiter unten auf einer großen Wiese gibt es sogar ein Schwimmbad samt Abdeckung. Wasser von Mai bis September warm.
Ich seufze und habe im Kopf den Werbeprospekt fast fertig. Schon wahr, dass der Wein vom Bruder der Tante nicht annähernd so gut ist wie der von den Winzern mit dem Weingartenhäuschen, aber was soll's. Er ist trinkbar. Und der Topfenstrudel, den uns die Tante als Willkommensgruß offeriert hat, ist ausgezeichnet. Ich werde schwimmen, in der Sonne liegen. Ich werde Oskar per MMS ein Foto schicken, damit er endgültig beruhigt ist. Vielleicht kann er morgen oder übermorgen nachkommen.
„Du weißt, warum wir sind da?“, zischt mir Vesna ins Ohr.
Ich sehe sie irritiert an. Zwei Mordfälle. Dubiose Lateinamerikaner mit einem offenbar noch dubioseren Boss. Ein verschwundenes Labor samt verschwundenem geheimem Operationssaal.
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