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Unterm Strich

Unterm Strich

Titel: Unterm Strich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peer Steinbrück
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US-Dollar einzuräumen. Mit dieser Zusage verschaffte sich der amerikanische Staat eine fast 80-prozentige Beteiligung an der AIG. Es handelte sich um den bis dahin weitestgehenden Eingriff der US-Zentralbank in die Privatwirtschaft seit Bestehen der USA. Im Verlauf der folgenden Monate flössen dem Konzern insgesamt über 182 Milliarden US-Dollar Staatshilfe zu. In einer Anhörung des US-Kongresses im Frühsommer 2009 schätzte der vorgeladene AIG-Chef den Wert des Unternehmens auf 5 Milliarden US-Dollar. Das Ganze wurde zur teuersten Rettungsaktion in der Geschichte der USA.
    Selbst die Verstaatlichung der AIG durch die US-Regierung führte nicht zu der erhofften Beruhigung der Märkte. Der dramatische Vertrauensverlust in den Banken und zwischen den Banken setzte sich ungebremst fort: Der Interbankenmarkt wurde zunehmend gelähmt. Zu groß war die Unsicherheit, ob und zu welchen Konditionen sich die Banken in Zukunft noch finanzieren konnten. Aus dieser Unsicherheit heraus halten die Banken bis heute ihre Liquidität im Haus, fragen bei den Zentralbanken sicherheitshalber hohe Liquidität nach, geben diese aber praktisch nicht mehr unbesichert an andere Institute weiter - und wenn, dann nur mit exorbitanten Risikoaufschlägen.
    Am Ende der dritten Septemberwoche 2008 waren nur noch zwei der fünf größten Investmentbanken der Wall Street unabhängig, und mit der Halifax Bank of Scotland (HBOS) war Großbritanniens größter Hypothekengeber mit einer Bilanzsumme von 860 Milliarden US-Dollar ins Trudeln gekommen und von Lloyds TSB in einem Deal von 12 Milliarden Pfund übernommen worden. Obwohl die Zentralbanken in einer historisch einmaligen gemeinsamen Anstrengung Milliarden in das System pumpten, kam der Interbankenmarkt trotzdem faktisch zum Erliegen. Alle Alarmzeichen standen auf Rot, sodass die US-Administration erstmals Pläne für eine systemische Bekämpfung der Krise entwarf.
    In dieser Situation eskalierte die Lage auch in Deutschland. Vorrangig war zunächst die Stabilisierung der IKB über die KfW, die meinen Kollegen Michael Glos und mich unter anderem am Donnerstag, dem 18. September 2008, in den Gremien der KfW beschäftigte. Dann zeichnete sich ab, dass auf die deutschen Landesbanken neue Abschreibungen zukommen würden; die Nettobelastung allein aus dem Zusammenbruch von Lehman Brothers soll sich für sie auf mehr als 1 Milliarde Euro belaufen haben. Aber es kam noch viel dicker.
    Am Montag, dem 22. September 2008, informierte mich Staatssekretär Asmussen erstmals über die krisenbedingte Zuspitzung der Liquiditätssituation bei der Hypo Real Estate Bank (HRE). Im Anschluss an ein ohnehin Mitte der Woche terminiertes Bankengespräch wurde das erste Krisentreffen über die HRE verabredet, dem dann eine Serie von Sitzungen folgte.
    An diesem Montag gab es ferner eine Erklärung der G7-Finanzminister und -Notenbankgouverneure, die eine besondere Qualität aufwies. Sie bildete den Auftakt zu den internationalen Anstrengungen, über das aktuelle Krisenmanagement hinaus eine stabilere Finanzmarktarchitektur zu entwerfen. In einer Telefonkonferenz verabschiedeten meine G7-Kollegen und ich mit den Notenbankgouverneuren eine gemeinsame Erklärung, mit der die G7-Staaten ihre unbedingte Bereitschaft zur Abwendung eines Zusammenbruchs der Finanzmärkte erklärten. Die zentrale Textpassage lautete: »Wir sind bereit, alles zu unternehmen, sei es einzeln oder gemeinsam, was zur Sicherung der Stabilität des internationalen Finanzsystems notwendig ist.« Implizit bedeutete dies die Verpflichtung der G7-Staaten, keine systemrelevante Bank in den Konkurs gehen zu lassen.
    Weit mehr als eine Fußnote ist mir der Hinweis wert, dass die Deutsche Bank AG - wie andere große Banken auch - aus der Rettung der AIG durch den US-Staat eine Zahlung über 11,8 Milliarden US-Dollar für fällige Sicherheiten erhielt. Warum ist mir dies eine Erwähnung wert, wo es sich doch um einen unzweifelhaften Zahlungsanspruch der Deutschen Bank AG handelt? Nun, eine Bank wie diese, die mehrfach bekundet hat, dass sie staatliche Hilfsmaßnahmen nie in Anspruch nehmen müsste, wird sehr genau wissen, wie hoch ihr Abschreibungsbedarf gewesen wäre, wenn es nicht eine Serie staatlicher Stützungsmaßnahmen gegeben hätte. Ich vermute, dass die nationalen Stützungsmaßnahmen für IKB und HRE, die US-Rettung der AIG, die Stützung des Einlagensicherungsfonds der deutschen privaten Banken durch die Angebote des

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