Untitled
wo sich Harriet gerade mit wissenschaftlichem Eifer über die Vorgehensweise bei Leichenobduktionen informierte.
In Peters Stimme schwang ein Ton mit, der sie sofort das Notizbuch für ihre Aufzeichnungen zuklappen ließ. Sie stand auf und ging zu ihm hin.
«Bunter hat seine Kündigung eingereicht.»
«Oh, Peter, nein! Warum denn? Hat es etwas mit mir zu tun?»
«Warum glaubst du das?» fragte er sie.
«Nun ja, es war doch klar, daß es für ihn nicht einfach sein würde, wenn sein Herr heiratet. Helen hat sogar vorgeschlagen, daß ich ihm kündigen sollte – hatte ich dir das eigentlich erzählt? Aber ich dachte, er und ich wären zu einem Einvernehmen gekommen. Der Gedanke ist mir zuwider, daß …»
«Nein – du hast schon damit zu tun, aber anders, als du vermutest. Daß wir beide so glücklich sind, das ist der Grund. Bunter möchte selbst in den Hafen der Ehe einlaufen.»
«Oh, dann sind es ja gute Neuigkeiten! Wunderbar!»
«Ja, sicher. Sicher, sicher: wunderbar. Gräßlich selbstsüchtig von mir, daß ich keinen Freudentanz aufführe, aber mein Gott, Harriet, das wird weh tun! Schlimmer noch als das, er war schließlich meine Versicherung, wenn du so willst, damit ich dich nicht ins Elend stürze, wenn mein Nervenkostüm wieder einmal reißt. Ich wußte, Bunter würde immer da sein und wäre bereit, die Wucht des Angriffs abzufangen, und du könntest einfach wegsehen, bis der Sturm vorbei ist. Aber jetzt …»
«Ich wäre auch bereit, die Wucht abzufangen», erklärte Harriet. «Weißt du nicht mehr: In guten und in bösen Tagen, in Gesundheit und Krankheit …?»
«Und ob ich das noch weiß. Mir wäre es bloß lieber, du müßtest dich nicht allzuviel mit den bösen Tagen und der Krankheit abplagen.»
«Aber sag einmal, Peter, muß Bunter denn wirklich weggehen, wenn er heiratet? Muß man als Diener eines Gentlemans denn im Zölibat leben? Es gibt doch bestimmt noch andere verheiratete Dienstboten – oder will er von sich aus gehen?»
«Nein, will er nicht. Er ist so gütig, genauso erschlagen von dem Gedanken zu sein wie ich. Aber ich sehe trotzdem wirklich keine Möglichkeit. Bunters Arbeit setzt voraus, daß er mit mir unter einem Dach lebt.»
«Wie wird das denn üblicherweise gehandhabt, wenn jemand vom Personal heiratet?» wollte Harriet wissen.
«Na ja, normalerweise heiraten sie untereinander. Entweder man verzichtet auf ihre Dienste, und sie suchen sich eine Stellung in einem Haushalt, die ein Ehepaar haben wollen – Köchin und Gärtner oder so. Oder man findet im eigenen Haus eine Aufgabe für die Auserwählte und beschäftigt sie beide weiter.»
«Können wir das denn nicht auch so machen?»
«Bunter hält aber nicht um die Hand eines Dienstmädchens an. Die junge Frau ist Fotografin, wie ich höre. Es ist völlig ausgeschlossen, daß sie hier als Dauergast im Haus wohnt.»
«Oho», rief Harriet. «Ich glaube, wir haben uns schon kennengelernt. Was sagt sie denn dazu?»
«Bunter hat sie noch gar nicht gefragt. Ob sie ihn heiraten
will, meine ich. Er hat mir als erstem die Neuigkeiten mitgeteilt.»
«Aber, Peter, das ist abscheulich!»
«Ist es das? Vielleicht hast du recht. Um die Wahrheit zu sagen, Harriet, ich stehe dermaßen unter Schock, daß ich nicht mehr weiß, was ich denken soll.»
«Eure Lordschaft belieben, sich reichlich viktorianisch aufzuführen. Laß uns erst einmal abwarten, wie die Antwort auf Bunters Antrag ausfällt, und in der Zwischenzeit überlege ich, ob mir nicht eine Lösung einfällt.»
«Einverstanden», sagte er. «Hast du etwas dagegen, wenn ich ein bißchen spiele?» Er ging zum Klavier und machte den Deckel auf.
«Musik hat Zauberkraft?»
«Ja, und heute abend tobt in meiner Brust ein ausgesprochen wilder Kampf, den sie besänftigen muß.»
«Kein Trieb, den nicht Musik sei's weckt, sei's stillt. Spiel weiter. Gib mir volles Maß.»
«Bunter hat uns heute abend ein reichlich schräges Kompliment gemacht», fügte Peter noch mit stockender Stimme hinzu. «Er hat gesagt, er hätte es bis dato nicht für möglich gehalten, daß man Trieb und Freundschaft in Einklang bringen kann.» Und bevor Harriet darauf noch etwas antworten konnte, saß er schon an den Tasten und stürzte sich in eine komplizierte, verschlungene Fuge.
Bericht von Juliet Mango an Lord Peter Wimsey:
19. März
Es ist eine sehr interessante Entwicklung eingetreten. Noch bevor ich den Anruf tätigen konnte, um Eure Lordschaft nach weiteren Instruktionen zu fragen,
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