Untitled
Sie.« Sie riß die Tür auf und hielt sie offen und glaubte zu spüren, wie ihre Zunge anschwoll - ihr Vater hatte immer behauptet, das würde ihre Zunge tun, wenn sie log. Der kahle Constable stand jetzt dicht vor ihr und blies ihr seine Whisky- und Gingeralefahne ins Gesicht.
»Ist irgend jemand aus diesem Haus, ein Mann, vor kurzem in die Schweiz gereist, geschäftlich oder in Urlaub?« »Nicht daß ich wüßte.«
»Und warum schickt dann jemand Ihrem Sohn Samuel eine Ansichtskarte mit einem Schweizer Bauern drauf, der auf einem Berggipfel steht und eine Fahne schwenkt, und warum schreibt er dort, daß er bald nach Hause kommt, und warum soll die Briefmarke auf besagter Postkarte auf die Rechnung von Mr. Mark West geschrieben werden?«
»Keine Ahnung. Ich habe keine Postkarte gesehen.« Die leeren Augen kommen noch näher, die Whiskydünste sind noch stärker und wärmer. »Wenn Sie mich anlügen, Madam, und das tun Sie bestimmt, werden Sie und Ihr großmäuliger Sohn sich noch mal wünschen, nie geboren zu sein«, sagte der Constable. Dann stülpte er seine Kappe auf, wünschte lächelnd Gute Nacht und schritt mit seinem Kollegen zum Auto. Sammy wartete in ihrem Bett.
»Ich hab doch alles richtig gemacht, oder, Mum?« fragte er. »Die hatten noch viel mehr Angst als wir, Sammy«, versicherte sie, kaum noch der Sprache mächtig, und begann zu zittern.
18
Vor langer Zeit hatte Nat Brock einmal im Feuer der Jugend einen Mann geschlagen, bis der weinte. Die ganz unerwarteten Als er jetzt, keine Stunde nach seinem Gespräch mit Aggie, Plutos Hundehütte betrat, rief er sich wie immer, wenn die Versuchung ihn wieder überkam, diesen Vorfall ins Gedächtnis und schwor sich, es nicht noch einmal so weit kommen zu lassen. Als Carter ihm die Stahltür aufmachte, las er Brock am Gesicht ab, daß etwas bevorstand. Mace, der im Korridor postiert war, drückte sich respektvoll an die Wand, um Brock vorbeizulassen. Auf der Straße wartete Tanby mit laufender Uhr in seinem harmlosen Taxi, das Funkgerät war auf Empfang gestellt. Es war zehn Uhr abends, und Massingham saß in einem Sessel, aß etwas Chinesisches mit einer Plastikgabel und sah einer Runde kichernder Fernsehjournalisten zu, die sich gegenseitig zu ihrer Intelligenz gratulierten. Brock zog an der Tür den Stecker aus der Dose und befahl Massingham aufzustehen; er gehorchte. Die Schwäche auf Massinghams Gesicht war wie ein Fleck, der bei jedem Verhör der letzten Tage dunkler geworden war. Brock schloß die Tür ab und schob den Schlüssel in die Tasche. Warum er das tat, konnte er später nie erklären.
»Die Situation ist folgende, Mr. Massingham«, sagte er, freundlich und ruhig, wie er es sich vorgenommen hatte. »Michail Iwanowitsch Orlow ist an Bord der Free Tallinn erschossen worden. Sie haben das gewußt, es aber nicht für nötig gehalten, uns das mitzuteilen.« Er legte eine Pause ein, die nicht dazu gedacht war, Massingham Gelegenheit zum Sprechen zu geben, sondern um die Beschuldigung wirken zu lassen. »Warum nicht, frage ich mich?« Und als außer einem wenig überzeugenden Achselzucken keine Antwort kam: »Des weiteren habe ich die Information, daß Jewgenij Orlow Ihnen und Tiger Single Schuld am Tod seines Bruders gibt. Ist Ihnen das auch bekannt?« »Das war Hoban.« »Entschuldigung?« »Hoban hat mir das angehängt.«
»Ach ja? Und wie haben Sie davon erfahren, wenn ich fragen darf?«
Ein gedehntes Schweigen, schließlich Gemurmel: »Das ist meine Sache.« »Ist Ihnen das vielleicht in der für Sie persönlich hergestellten Kopie des Videos von der Ermordung Alfred Winsers mitgeteilt worden? Gab es da eine auf Sie zugeschnittene Botschaft oder ein PS, das Sie auf die Gefahr aufmerksam gemacht hat, in der Sie sich befinden?«
»Man hat mir gesagt, ich wäre der nächste auf der Liste. Michail sei tot, ich hätte ihn verraten. Ich und alle, die ich liebe, vor allem aber William, würden mit ihrem Blut dafür bezahlen«, sagte Massingham mit erstickter Stimme. »Das war eine Falle, Hoban hat mich reingelegt.«
»Nachdem Sie bereits Tiger reingelegt hatten.«
Keine Antwort, aber auch kein Dementi.
»Bei einem früheren Plan, so um Weihnachten letzten Jahres herum, hatten Sie begeistert mitgemacht; da ging es darum, Ihrem Arbeitgeber Single sein Vermögen abzujagen und eine neue, von Hoban, Mirsky und Ihnen kontrollierte Firma zu gründen. War das ein Nicken, Mr. Massingham? Könnten Sie bitte ja sagen?« »Ja.«
»Ich danke Ihnen. In
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