Urod - Die Quelle (German Edition)
Als sie gegangen waren, schlug Thomas sein Lager auf dem Holztisch auf, nachdem er ihn einmal umgekippt hatte, um die alten Essensreste darauf zu entfernen. Da der Boden vor hereingetragenem Schlamm und Schmutz nur so strotzte, war der Tisch die einzige einigermaßen zivilisierte Option für ein Nachtlager.
Viola sah sich in ihrem Domizil um, das eindeutig als Schlafraum für die Ausgrabungshelfer und –leiter gedient haben musste. Acht einfache Feldbetten aus Metall standen darin. Einige von ihnen waren noch mit Matratzen bestückt, doch die meisten davon in einem desaströsen Zustand. Der Stoff war zerrissen worden, sodass das Schaumgummi aus ihnen herausquoll wie Innereien aus einem Tierkadaver und die Vorhänge an den Fenstern hingen in Fetzen herab. Viola machte das Licht an und schüttelte sich vor Ekel, als sie sah, in welchem Zustand das kleine Bad mit Dusche war, das sich direkt an den Schlafraum anschloss. Es starrte vor Dreck. Der Spiegel über dem Waschbecken war nahezu blind, gelbe Schlieren zogen sich über den ganzen Boden, der Duschvorhang war mit einer undefinierbaren weißen, nun eingetrockneten Substanz beschmiert und hing halb herunter und die Brause hatte jemand abgerissen. In den Ecken hatte sich schwarzer Schimmel gebildet, der seinen ätzend muffigen Geruch ausdünstete.
„ Duschen werde ich hier ganz sicher nicht. Da können wir uns ja noch besser in den Regen stellen. Ich glaube, das ist um einiges sauberer“, rief sie Sebastian zu, der gerade die Matratzen unter die Lupe nahm, um sich die zwei besten davon zu schnappen.
Viola wunderte sich, dass es keinerlei Insekten gab, wie eigentlich an einem solchen Ort zu vermuten gewesen wäre. Nicht ein Silberfischchen, keine Fliegen, Schaben oder sonstiges Geviechs. Noch nicht mal eine Motte oder ein Nachtfalter. Sie war zwar nicht besonders erpicht auf deren Gesellschaft, aber seltsam war das schon. Vielleicht hatte der Regen seine Hand dabei im Spiel. Sie gähnte herzhaft und begnügte sich mit einer Katzenwäsche am Waschbecken. Nur ihre Zähne säuberte sie penibel, benutzte aber Wasser aus der Flasche, um sich den Mund auszuspülen. Als sie ihre Zahnzwischenräume mit Zahnseide reinigte, schmeckte sie das metallische Aroma frischen Bluts auf ihrer Zunge und sah verwundert in den blinden Spiegel. Ihr Zahnfleisch blutete stark.
„ Auch das noch!“
„ Was hast du gesagt?“ fragte Sebastian, der die ausgesuchten Matratzen und ihre Schlafsäcke auf die Bettgestelle drapierte. Er gab sich wirklich Mühe, es so gemütlich wie möglich für sich und Viola zu machen.
„ Nichts. Ich habe mit mir selbst geredet“, erklärte Viola schnell.
Sie wollte der Sache nicht mehr Bedeutung beimessen, als sie hatte. Wahrscheinlich waren der Stress und die Erschöpfung des Tages daran schuld.
„ Komm, Schatz, lass uns ins Bett gehen!“
Viola betrachtete sich noch einmal im Spiegel, in dem ihr Konterfei verzerrt wirkte wie eine afrikanische Totenmaske. Hastig löschte sie das Licht und beeilte sich zu Sebastian zu kommen, der bereits in einem der zwei Feldbetten lag, die er zusammengeschoben hatte. Aus einem anderen Bett hatte er einen Nachttisch improvisiert und darauf eine Petroleumlampe gestellt, die nun ihr warmes Licht verströmte und dem Raum, zu Violas Überraschung, etwas Anheimelndes verlieh. Schlagartig verbesserte sich ihre Laune und sie streifte mit flinken Fingern ihre Klamotten ab, warf sie in eine Ecke des Raums und schlüpfte nur in BH und Höschen zu Sebastian ins Bett, wo sie sich mit einem wohligen Seufzer ausstreckte. Jetzt erst wurde ihr bewusst, wie sehr ihr ganzer Körper schmerzte. Draußen hämmerte der Regen auf das Dach und platschte einlullend auf die Erde. Viola schloss die brennenden Augen. Doch Sebastian hatte noch nicht vor, zu schlafen. Grinsend präsentierte er ihr eine Flasche Schnaps, die er aus der ersten Baracke mitgenommen hatte. Er schraubte den Deckel ab, roch daran und verzog unwillkürlich das Gesicht.
„ Es geht nichts über einen guten Selbstgebrannten.“
Er nippte an der Flasche, sog scharf die Luft ein und hustete.
„ Hoffentlich werde ich nicht blind davon!“ keuchte er.
Viola sah ihn mit einer Mischung aus Belustigung und Ärger an.
„ Musst du denn alles in dich reinschütten, was du findest?! Wer weiß, was das für ein Zeug ist.“
„ Ich desinfiziere mich innerlich nur ein bisschen.“
Viola seufzte.
„ Nimmst du eigentlich jemals irgendwas ernst?“
Sebastian näherte sein
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