Vampire Academy 03 ● Schattenträume
freien Tag.”
„Nein”, sagte ich, denn ich hatte es beinahe vergessen. Verdammt. Warum musste er mich daran erinnern? Ich hatte schon begonnen, mich nach dem Zwischenfall mit Stan besser zu fühlen. Jetzt seufzte ich. „Ich habe Gemeinschaftsdienst.”
Da so viele Moroi ihre Wurzeln in Osteuropa hatten, war das orthodoxe Christentum die vorherrschende Religion auf dem Campus.
Auch andere Religionen waren vertreten, und ich würde sagen, alles in allem besuchte nur etwa die Hälfte der Schülerschaft regelmäßig irgendwelche Gottesdienste. Lissa ging jeden Sonntag zur Kirche, weil sie glaubte. Christian aber ging hin, weil sie es tat. Außerdem ließ es ihn in einem guten Licht stehen und erweckte den Eindruck, dass er vielleicht doch kein Strigoi werden würde. Da Strigoi geweihten Boden nicht betreten konnten, bescherte ihm der regelmäßige Gottesdienstbesuch ein kleines Polster von Respektabilität.
Wenn ich sonntags nicht lange schlief, ließ ich mich aus gesellschaftlichen Gründen in der Kirche blicken. Lissa und meine Freunde unternahmen anschließend meist irgendetwas, das Spaß machte, also war die Kirche ein guter Treffpunkt. Wenn Gott etwas dagegen hatte, dass ich seine Kapelle benutzte, um mein Gesellschaftsleben zu fördern, so hatte Er es mich jedenfalls nicht wissen lassen. Entweder das, oder Er wartete ab, bevor er mich bestrafte.
Als der Gottesdienst jedoch an diesem Sonntag endete, musste ich in der Kapelle bleiben, weil ich meinen Gemeinschaftsdienst dort ab-leisten sollte. Als sich die Kapelle geleert hatte, stellte ich zu meiner Überraschung fest, dass eine weitere Person mit mir zurückgeblieben war: Dimitri.
„Was tun Sie hier?”, fragte ich.
„Ich dachte, Sie brauchen vielleicht ein wenig Hilfe. Ich höre, der Priester hat sich einen Hausputz vorgenommen.”
„Ja, aber Sie sind hier nicht derjenige, der bestraft wird. Und dies ist auch Ihr freier Tag. Wir - hm, alle anderen - haben die ganze Woche damit verbracht, es abzuwehren, aber Sie und die anderen Wächter waren doch diejenigen, die ständig in Kämpfe verwickelt waren.” Tatsächlich bemerkte ich jetzt, dass auch Dimitri einige Prellungen davongetragen hatte - wenn auch nicht annähernd so viele wie Stan.
Es war für alle eine lange Woche gewesen, und dabei war es nur die erste von sechs. „Was sollte ich denn heute sonst tun?”
„Da würden mir hundert Dinge einfallen”, bemerkte ich trocken. „Wahrscheinlich läuft irgendwo ein John-Wayne-Film, den Sie noch nicht gesehen haben.”
Er schüttelte den Kopf. „Nein, da läuft kein John-Wayne-Film. Außerdem habe ich alle gesehen. Hören Sie - der Priester wartet auf uns.”
Ich drehte mich um, und tatsächlich, Father Andrew stand vorn in der Kapelle und beobachtete uns erwartungsvoll. Er hatte die kostbaren Roben, die er während des Gottesdienstes getragen hatte, inzwischen abgelegt und trug jetzt eine schlichte Baumwollhose und ein Hemd. Er sah aus, als sei auch er bereit zu arbeiten, und ich fragte mich, was nur aus dem Gebot geworden war, nach dem der Sonntag ein Tag der Ruhe sein sollte.
Als Dimitri und ich näher traten, um uns unsere Arbeiten zuteilen zu lassen, grübelte ich darüber nach, was Dimitri überhaupt dazu gebracht haben konnte, hierzubleiben. Gewiss hatte er doch nicht wirklich an seinem freien Tag arbeiten wollen. Ich war ein so rätselhaftes Verhalten bei ihm nicht gewohnt. Seine Absichten waren normalerweise sehr klar erkennbar, und so musste ich annehmen, dass es auch jetzt eine einfache Erklärung gab. Es war nur noch nicht offenbar geworden.
„Vielen Dank, dass Sie sich beide freiwillig gemeldet haben, um mir zu helfen.” Father Andrew lächelte uns an. Ich versuchte, bei dem Wort „freiwillig” nicht höhnisch aufzulachen. Er war ein Moroi von Ende vierzig mit dünner werdendem, grauem Haar. Obwohl ich nicht viel Zutrauen zur Religion hatte, mochte und respektierte ich ihn dennoch. „Wir werden heute nichts besonders Anspruchsvolles tun”, fuhr er fort. „Eigentlich ist es sogar ein wenig langweilig. Wir müssen natürlich die gewöhnlichen Putzarbeiten erledigen, und dann würde ich gern die Kisten mit alten Sachen durchsortieren, die ich oben auf dem Dachboden stehen habe.”
„Wir freuen uns zu tun, was immer Ihnen sinnvoll erscheint”, er-klärte Dimitri feierlich. Ich unterdrückte ein Seufzen und versuchte, nicht an all die anderen Dinge zu denken, die ich hätte tun können.
Wir machten uns ans Werk.
Mir wurde
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