Vampire bevorzugt
gegangen, wenn die Krankenschwester mir nicht eindringlich geraten hätte, die Schulter zu schonen. Ruhelos wanderte ich von einem Zimmer ins andere, bis mir das Knirschen von Kies vor dem Haus einen weiteren Besucher ankündigte. Das Leben in der Stadt hatte mich bereits fest im Griff.
Als ich die Tür öffnete, stand Tara davor, in einem Regenmantel mit Leopardenmuster. Ich bat sie herein, und sie bemühte sich, den Regenmantel auf der Vorderveranda auszuschütteln. Ich trug ihn schließlich in die Küche, dort konnte er das Linoleum volltropfen.
Tara umarmte mich sehr sanft zur Begrüßung. »Und jetzt sag mir mal, wie es dir geht.«
Nachdem ich die ganze Geschichte noch einmal erzählt hatte, sagte sie: »Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht. Ich konnte einfach nicht früher aus dem Laden weg. Aber ich wollte dich unbedingt noch besuchen kommen. Ich habe das Kostüm in meinem Schrank gesehen. Warst du bei mir zu Hause?«
»Ja«, erwiderte ich. »Vorgestern. Hat Mickey es dir nicht erzählt?«
»Er war im Haus, als du da warst? Ich hatte dich doch gewarnt«, rief sie fast panisch. »Er hat dir doch nichts getan, oder? Hat er etwas damit zu tun, dass du angeschossen wurdest?«
»Nicht dass ich wüsste. Es war wohl schon später Nachmittag, als ich bei dir im Haus war. Ich weiß, ich hätte es nicht tun sollen. Das war einfach nur dämlich. Er hat versucht, mich, äh, zu erschrecken. An deiner Stelle würde ich ihm von diesem Besuch bei mir lieber nichts erzählen. Wie ist es dir denn gelungen, heute Abend hierher zu kommen?«
In Taras Gesicht ging ein Visier herunter. Ihre großen dunklen Augen wurden härter, und sie wich etwas von mir zurück. »Er ist irgendwo hingegangen.«
»Tara, kannst du mir nicht mal erzählen, wie du überhaupt an ihn geraten bist? Was ist denn mit Franklin passiert?« Ich versuchte, diese Fragen so sanft wie möglich zu stellen, denn ich wusste, dass ich damit heikles Terrain betrat.
Taras Augen füllten sich mit Tränen. Sie rang geradezu um eine Antwort, denn sie schämte sich sehr. »Sookie«, begann sie schließlich fast flüsternd. »Ich dachte, Franklin würde sich wirklich etwas aus mir machen, verstehst du? Ich meine, ich dachte, er respektiert mich. Als Mensch.«
Ich nickte und sah sie bloß aufmerksam an. Ich wollte sie auf keinen Fall unterbrechen, jetzt da sie endlich begonnen hatte, die ganze Geschichte zu erzählen.
»Aber er ... er hat mich einfach weitergereicht, als er mit mir fertig war.«
»Oh, nein, Tara! Er ... hat dir doch sicher erklärt, warum ihr zwei euch getrennt habt. Oder hattet ihr einen schlimmen Streit?« Ich wollte einfach nicht glauben, dass Tara von Vampir zu Vampir weitergereicht worden war wie irgendeine Vampirsüchtige auf einer dieser Blutsauger-Partys.
»Er sagte: >Tara, du bist ein schönes Mädchen, und ich war gern mit dir zusammen, aber ich stehe noch bei Mickey in der Schuld, und jetzt will Mickey dich.«<
Mir stand der Mund offen, und ich bemerkte es auch, aber es war mir egal. Ich konnte kaum glauben, was Tara da eben erzählt hatte. Ich spürte, wie die ganze Demütigung, die sie erlitten hatte, in Wellen der Selbstverachtung von ihr ausging. »Und du konntest nichts dagegen tun?«, fragte ich und gab mir Mühe, nicht zu ungläubig zu klingen.
»Glaub mir, ich habe es versucht«, sagte Tara bitter. Zum Glück warf sie mir nicht vor, dass ich ihr diese Frage gestellt hatte. »Ich sagte zu ihm, das mache ich nicht mit. Ich sagte zu ihm, dass ich doch keine Hure sei und dass ich mit ihm zusammen war, weil ich ihn mochte.« Sie ließ die Schultern sinken. »Aber das war natürlich nicht die ganze Wahrheit, und das wusste er. Ich habe ja all die Geschenke angenommen, die er mir gemacht hat. Richtig teure Sachen. Aber er hat sie mir von sich aus gegeben, er hat nie gesagt, dass da irgendwelche Bedingungen dran geknüpft sind! Ich habe ihn nie um etwas gebeten!«
»Also hat er gesagt, wegen der Geschenke wärst du verpflichtet, zu tun, was er verlangt?«
»Er sagte -« Tara begann zu weinen, und weil sie so schluchzte, sprach sie nur noch stoßweise. »Er sagte, dass ich mich wie eine ausgehaltene Geliebte verhalten hätte und dass er immer alles für mich bezahlt hätte und dass ich ihm auch noch anders von Nutzen sein könnte. Ich sagte, dass ich das nicht wolle und ihm alles zurückgeben würde; aber er sagte, das wolle er nicht. Ein Vampir namens Mickey hätte mich mit ihm gesehen, und er, Franklin, würde Mickey noch
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