Vampirmelodie
Freunde zum Reden bringen könnte, wenn wir sie denn finden würden. Einen Augenblick lang sehnte ich mich nach Pam. Sie konnte jeden zum Reden bringen, und zwar ohne Zaubersprüche – wenn man die Vampirhypnose nicht auch als eine Art Zauberspruch betrachtete. Pam würde es sowieso eher aus ihnen herausprügeln. Vielleicht sollte ich sie mal anrufen.
Nein , sagte ich mir entschieden und immer wieder. Es war besser, wenn ich von jetzt an einfach alle Verbindungenzu den Vampiren abbrach. Klar, Bill wohnte immer noch nebenan, und es war unvermeidlich, dass ich ihn von Zeit zu Zeit sah. Klar, Eric hatte ein paar Sachen im Tagesruheort in meinem Gästezimmer zurückgelassen. Klar, Quinn hatte berichtet, dass er zwei Vampire (höchstwahrscheinlich Bill und Karin) in meinem Wald gewittert hatte. Aber ich war entschlossen, so zu tun, als bestünde eine Wand zwischen mir und allen Vampiren im Bezirk Fünf. Zwischen mir und allen Vampiren auf der Welt!
Danach sah ich nach, ob ich neue E-Mails bekommen hatte. Ja, da war eine von Sam. Erwartungsvoll klickte ich sie an. »Komm heute Vormittag zur Arbeit«, mehr stand nicht drin. Quinn hatte mir auch gemailt. »Hab gestern Abend in der Bar des Motels zwei Leute gesehen, die mir irgendwie bekannt vorkamen«, las ich. »Denen werde ich heute mal folgen.«
Wer um Himmels willen konnte das bloß sein? Doch bei dem Gedanken, dass die Dinge langsam ins Rollen kamen, überkam mich ein optimistisches Gefühl. Und so ging ich mit einem Lächeln im Gesicht in mein Schlafzimmer, um zu duschen und mich anzuziehen.
Als ich fertig für die Arbeit zu meinem Auto hinausging, traf ich Bob und Amelia im Garten an. Sie hatten in einem Kreis aus alten Backsteinen ein kleines Feuer entfacht und streuten singend irgendwelche Kräuter hinein. Keiner von beiden forderte mich auf, mitzumachen; und ehrlich gesagt, roch Magie auch so komisch und machte mich richtiggehend nervös, weshalb es mich nicht drängte, irgendwelche Fragen zu stellen.
Als ich ins Merlotte’s kam, war alles wie immer. Keiner zuckte mit der Wimper angesichts meiner Anwesenheit oder wirkte überrascht darüber, dass ich auftauchte. Zufällig war gerade sehr viel los. Sam war auch da, doch jedes Mal, wenn unsere Blicke sich trafen, sah er weg, alswürde er sich wegen irgendetwas schämen. Aber ich hätte schwören können, dass er froh war, mich zu sehen.
Schließlich bekam ich ihn im Büro zu fassen. Ich stellte mich vor den einzigen Ausgang, falls er sich nicht in sein winziges Bad flüchten und die Tür abschließen wollte. Doch dazu war er nicht feige genug.
»Okay, raus damit«, sagte ich.
Er wirkte beinahe erleichtert, so als hätte er darauf gehofft, dass ich eine Erklärung einfordern würde. Jetzt sah er mich direkt an, und wenn ich in seinen Kopf hätte hineinklettern und seine Gedanken lesen können, hätte ich es getan. Verdammte Gestaltwandler.
»Ich kann nicht«, erwiderte er. »Ich habe geschworen, es nicht zu tun.«
Ich kniff die Augen zusammen und dachte nach. Es war eine ernste Sache, das mit dem Schwören, und ich konnte ihm kaum drohen, ihn zu kitzeln, bis er redete, oder ihm sagen, dass ich die Luft so lange anhalten würde, bis er es ausspuckte. Aber ich musste wissen, was sich verändert hatte. Ich hatte gedacht, dass wir wieder zum normalen Alltag zurückkehren würden, dass Sam nach seiner Todeserfahrung wieder zu sich gefunden hatte, dass wir auf festem Boden standen.
»Früher oder später musst du mir erzählen, was los ist«, sagte ich ganz vernünftig. »Wenn du mir irgendeinen Hinweis geben könntest, würde mir das schon weiterhelfen.«
»Besser nicht.«
»Wenn du gestern Abend bloß gekommen wärst«, sagte ich, das Thema wechselnd. »Es gab ein leckeres Abendessen, und das Haus war voller Leute.«
»Ist Quinn auch geblieben?«, fragte Sam angespannt.
»Nein, es waren schon zu viele da. Er hat ein Motelzimmer draußen an der Autobahn genommen. Es wäreschön, wenn du freundlich wärst zu ihm. Und zu all meinen Gästen.«
»Warum willst du, dass ich freundlich bin zu Quinn?«
Ha, also doch Eifersucht. Du meine Güte. »Weil alle meine Gäste viele Meilen zurückgelegt haben, und das nur deshalb, um meinen Namen reinzuwaschen.«
Sam erstarrte einen Moment lang. »Willst du damit etwa sagen, dass ich dir nicht so helfe wie sie? Dass sie sich mehr Sorgen um dich machen als ich?« Er wurde definitiv wütend.
»Nein«, erwiderte ich. »Das glaube ich nicht.« Wow, er war ja wirklich super
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