Venetia und der Wuestling
sie das Haus in Hans Town ganz vergessen, denn als das Thema flüchtig gestreift wurde, hatte sie einen Augenblick lang große Augen gemacht und dann gesagt: „Oh ... das! Nein, nein, Ma'am, regen Sie sich ja nicht darüber auf. Ich gebe zu, dass Sie sehr recht haben, und es hätte mir dort auf die Dauer wirklich nicht gefallen."
Obwohl Mrs. Hendred allen Grund hatte, mit dieser Antwort zufrieden zu sein, spürte sie eine vage Unruhe. Es kam ihr nicht nur vor, dass Venetias Gedanken weit weg waren, sondern dass sie an einem neuen Plan spann. Ein Versuch, zu entdecken, was er sein mochte, schlug fehl - Venetia lächelte bloß und schüttelte den Kopf, was es unangenehm wahrscheinlich machte, dass sich der neue Plan als genauso entsetzlich erweisen würde wie der alte. Mrs. Hendred wünschte allmählich, dass ihr gestrenger Gemahl nicht ins Berkshire gefahren wäre. Und während einer Nacht, in der sie ungewöhnlich oft aufwachte, kam sie sogar so weit, zu überlegen, ob es nicht vielleicht besser wäre, ihm einen Expressbrief zu schicken.
In der Früh erschien ihr dieser verzweifelte Entschluss ebenso töricht wie unvorsichtig, denn was konnte Venetia schließlich schon ins Auge fassen, das es rechtfertigen könnte, ihren Onkel herbeizuholen? Einen solchen Hilferuf würde er ebenso missbilligen wie das unvermeidliche Geständnis, dass seine Frau Veneria genau das gesagt hatte, was diese seiner Meinung nach besser nie erfahren sollte. Er war ins Berkshire gefahren, um der Vierteljahressession beizuwohnen, worauf er, da er Custos rotulorum und sehr genau in der Erfüllung seiner Pflichten war, großen Wert legte und weshalb er meist eine ganze Woche lang dort blieb. Diesmal jedoch hatte er seiner Frau gesagt, dass sie ihn vermutlich in vier, höchstens fünf Tagen wiedersehen würde, da er sich verpflichtet hatte, einer Parteiversammlung beizuwohnen. In so kurzer Zeit, meinte sie, könnte nichts passieren, ja man konnte sich schwer vorstellen, wie überhaupt irgendetwas Umwälzendes geschehen könnte. Für Venetia mochte die Welt momentan vielleicht liebeleer geworden sein, aber das konnte sie Damerei wohl kaum sagen. Und selbst wenn sie es ihm sagte - nicht, dass Mrs. Hendred annahm, sie würde auch nur im Traum daran denken, sich derart grob unschicklich zu benehmen, wie unkonventionell auch immer sie sein mochte -, so wusste Damerei, dass für ein junges Frauenzimmer von Rang die Welt durchaus nicht untergehen würde. Er hatte Mr. Hendred sein Wort als Gentleman gegeben, dass er Venetia keinen Heiratsantrag machen würde. Daher war Mrs. Hendreds Seelenruhe wirklich von keiner Gefahr bedroht, und die bösen Vorahnungen der Nacht waren möglicherweise der Gänseleber- und Truthahnpastete zuzuschreiben, deren sie sich beim Souper ein bisschen zu großzügig bedient hatte. Oder es war vielleicht ein Fehler gewesen, Pilzschnitten zu essen - Pilze waren ihrer zarten Konstitution nie bekommen, daher durfte sie nicht vergessen, doch ja dem Künstler, der über ihre Küche herrschte, ausrichten zu lassen, künftighin Pilze aus seinen leckeren Rezepten zu verbannen.
Während Mrs. Hendreds Geist in der Gastronomie umherschweifte, beschäftigte sich Veneria damit, Pläne zu schmieden und sie wieder zu verwerfen, wie sie sich gesellschaftlich ruinieren könnte. Sie hatte ebenso schnell wie ihre Tante entschieden, dass es nichts nützen würde, Damerei zu sagen, wie wenig ihr an der Welt oder deren Meinung lag. Er hatte sie von Anfang an „sein grünes Ding" genannt. Ihr Instinkt sagte ihr, dass er sie nach einem Monat Aufenthalt in London nicht für reifer halten würde. Sie dachte - aber mit Zärtlichkeit -, dass er trotz all seiner großen Erfahrung mit Frauen genauso dumm wie Edward Yardley oder ihr kluger Onkel war. Er glaubte, weil sie ihre Weltkenntnisse aus zweiter Hand hatte, kannte sie auch ihr eigenes Herz nicht besser, und hatte sich anscheinend dazu überredet, dass sie innerhalb absehbarer Zeit, die sie in mondänen Kreisen verbrachte, nicht nur dankbar dafür sein würde, den - wie hatte er es genannt? -, den Klauen des Teufels entronnen zu sein, sondern sogar mit irgendeinem tugendhaften Herrn von erstklassiger Herkunft, von Reichtum und Rang glücklich verlobt sein würde. Das war schon schlimm genug; noch viel schlimmer - oder jedenfalls schwieriger zu überwinden - war jener Aspekt, den ihr die Tante vor Augen gestellt hatte. Ein Weltmann wie er wusste, wie die Welt über seine Heirat mit ihr urteilen
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