Veni, Vidi, Gucci
liege, spüre ich immer noch Hoffnung in mir.
Wir waren erst kurz nach sieben wieder zu Hause. Die Kinder konnten sich einfach nicht losreißen. Bei Molly wundert mich das nicht, sie ist überall glücklich. Man kann sie auf einer Müllkippe aussetzen, und sie macht daraus Neverland. Aber Thomas? Selbst Thomas wollte gar nicht mehr weg. Auf dem Weg nach Hause erzählte er mir von Quinn, der zwar ein ganzes Jahr jünger ist, in dem aber offenbar ein verborgenes Talent schlummert – und wer könnte das besser zutage fördern als mein Sohn, der Fußballtrainer? Gut, er war sehr ernst, und sein kleiner Körper war ganz angespannt, während er erzählte, aber, hey, er redete! Und das gleich, oh, bestimmt mehrere Minuten lang.
Ich erlebte, wie mein Sohn aus sich herausging. Ich konnte das vorhin ebenfalls. Die drei Stunden bei Natasha hatten mich meine ganzen Sorgen vergessen lassen. Und das hatte nichts mit den zwei Krügen Pimm’s zu tun, die Natasha und ich in den drei Stunden geleert haben ...
Als wir von Natasha aufbrachen, beschloss ich, mich nicht mehr länger von meinen ganzen Problemen herunterziehen zu lassen. Natürlich bin ich nicht so bescheuert zu glauben, dass das einfach ist. Schließlich habe ich große Probleme, angefangen bei meinem Ehemann, der mich verlassen hat, bis hin zu meiner Wenigkeit, die der Grund ist, weshalb er mich verlassen hat.
Aber es ist noch alles drin.
Obwohl Natasha mich kaum kennt, hat sie sich mir heute Nachmittag geöffnet. Es war ein gutes Gefühl, das Vertrauen eines anderen Menschen zu genießen. Und es war auch gut, nicht ständig über mich selbst nachzudenken, sondern zur Abwechslung mal über jemand anderen. Denn während ich vor meinem Schicksal kapituliere, nimmt Natasha ihres in die Hand – was wie einer von Sureyas Sprüchen klingt, aber was soll’s? Natasha lebt ihr Leben weiter. Mit einem Lächeln im Gesicht. Ich habe sie gefragt, was ihr Geheimnis ist. Ihre Antwort hat mich fast umgehauen.
»Prozac.«
Ganz richtig. Natashas Lächeln ist medikamentös!
Sie blickte in mein schockiertes Gesicht und lachte. »Das ist keine große Sache«, sagte sie. »Beziehungsweise doch. Prozac ist ein wahres Wundermittel. Man fühlt sich glücklich, aber immer noch wie man selbst ... falls das Sinn macht.«
Ich fühlte mich geehrt, weil Natasha mir etwas anvertraut hatte, was bislang nur sie und ihr Arzt wussten.
Und nun liege ich im Bett und fühle mich immer noch geehrt. Und inspiriert . Es ist wirklich höchste Zeit, dass ich mein Leben wieder in den Griff bekomme.
Gleich morgen werde ich Isabel anrufen wegen der Sprechrolle. Wo auch immer ich meinen Mumm in all den Jahren verlegt habe, ich werde ihn wiederfinden und dann das tun, was ich am besten kann: Stimmenimitationen. Das ist der erste Schritt.
Schritt zwei: Ich werde meinen Alkoholkonsum runterfahren, der, wie mir aufgefallen ist, in letzter Zeit etwas gestiegen ist. Heute habe ich bereits einen Anfang gemacht. Ich habe nämlich keinen Alkohol getrunken. Und bevor Sie etwas sagen, der Pimm’s zählt nicht .
Schritt drei: Ich werde mir Hauspersonal zulegen. Nun, das heißt, ich werde mir ein Au-pair-Mädchen besorgen. Es kann sich um die Kinder kümmern, wenn meine Karriere wieder ins Rollen kommt, und auch um den Haushalt, was mir die Zeit verschafft, mich meiner Schönheit zu widmen. Okay, ich weiß, würde ich Wert darauf legen, halbwegs anständig auszusehen, dann bräuchte ich dafür kein tschechisches, wenig gesprächiges Au-pair, das die ganze Zeit hier im Haus herumwuselt und mir ein schlechtes Gewissen macht, weil es an Heimweh leidet und gerade mal einen Hungerlohn bekommt ... Im Grunde habe ich gar keine Ahnung, wovon ich rede. Wer weiß schon, ob es mit einem Au-pair klappt; wichtig ist doch nur, dass es psychologisch betrachtet für mich ein Schritt nach vorn ist, fremde Hilfe anzunehmen. Und diesmal weiß ich, wovon ich rede, weil ich das in dem Klappentext des blöden Psychoratgebers gelesen habe, den Sureya mir zum Geburtstag geschenkt hat.
Und, Schritt vier, der größte: Sobald Richard aus Mailand zurück ist, müssen wir uns zusammensetzen und reden. Richard muss klar werden, dass die Gucci-Tussi nur ein dummer Ausrutscher ist und dass für unsere Ehe noch eine Chance besteht. Es wird nicht viel nötig sein, ihn davon zu überzeugen, weil ich vor seinem Erscheinen zwei Stunden damit zubringen werde, Make-up aufzutragen, meine Haare zu stylen und etwas zum Anziehen zu finden, das nicht nach
Weitere Kostenlose Bücher