Venus 02 - Auf der Venus verschollen
bewaffnet. Einen Augenblick lang standen sie sich abwartend gegenüber, dann fuhren zwei Wagen auf das Feld. In jedem saßen ein Fah rer und eine junge Frau. Der rote Wagen fuhr zu den Männern mit den roten Lendenschürzen, der weiße Wagen zu den Wei ßen.
Als sich die Formation auf diese Weise geschlossen hatte, pa radierten die beiden Gruppen im Uhrzeigersinn einmal um das Feld. Die Menschen jubelten ihnen zu und als die Krieger ihren Rundgang beendet hatten, nahmen sie wieder die Ausgangs stellung ein.
Gleich darauf erscholl eine Trompete und die Roten und Weißen näherten sich einander. Ihre Formation änderte sich. Es gab eine Vor- und eine Nachhut, die auf jeder Seite in der Flanke abgesichert wurde. Die Wagen blieben im Hintergrund, unmittelbar vor der Nachhut. Auf den Trittbrettern der Wa gen hielt sich eine Anzahl von Kriegern auf.
Ich beugte mich zu Ero Shan hinüber. »Sagen Sie – worum geht es eigentlich?« fragte ich. »Ich möchte gern verstehen, was da unten vorgeht.«
»Ganz einfach«, erwiderte er. »Der Kampf dauert fünfzehn Vir (etwa eine Stunde irdischer Zeitrechnung) und die Partei, die die Königin der Gegenseite erobert, hat gewonnen.«
Ich weiß nicht, was ich eigentlich erwartete; jedenfalls war ich nicht auf die Ereignisse gefaßt, die sich jetzt da unten im Sta dion abspielten. Die Roten bildeten einen Angriffskeil und rannten los. In dem nun folgenden Massaker wurden drei Männer getötet und über ein Dutzend verwundet und die Wei ßen hielten ihre Königin.
Wenn eine Königin zu sehr in Bedrängnis geriet, ergriff der Wagen die Flucht und die Nachhut trat an, um den Gegner zu rückzuwerfen. Angriffe und Gegenangriffe schwemmten das Kampfgeschehen hierhin und dorthin. Manchmal schienen die Weißen nahe daran, die rote Königin zu erobern, doch gleich darauf war ihre Königin in Gefahr. Es gab auch viele Einzelkämpfe, bei denen die Beteiligten ihre große Geschicklichkeit unter Beweis stellten.
Das Ereignis schien so wenig mit den anderen Beobachtun gen übereinzustimmen, die ich bisher in Havatoo gemacht hatte, daß ich keine rechte Erklärung fand. Diese Menschen hatten die höchste zivilisatorische Stufe erreicht, die man sich denken konnte – und wandten sich doch plötzlich der entsetzlichsten Barbarei zu. Es war unglaublich. Was mich am meisten verwun derte, war das ungezügelte Vergnügen, mit dem die Zuschauer dem blutigen Schauspiel folgten.
Ich muß gestehen, daß ich mich seiner Wirkung nicht völlig entziehen konnte, aber ich war auch froh, als alles vorüber war. Keiner der Parteien war es gelungen, eine Königin zu erobern und von den zweihundert Kriegern, die an dem Kampf teilge nommen hatten, war kein einziger ohne Wunde geblieben. Fünfzig wurden tot vom Feld getragen und ich erfuhr später, daß noch weitere zehn Männer ihren Verletzungen erlagen.
Auf dem Rückweg fragte ich Ero Shan, warum ein derart brutales Schauspiel geduldet wurde und wieso die kultivierten Einwohner Havatoos daran Gefallen fanden.
»Wir haben nur wenige Kriege«, erwiderte er. »Äonenlang bestimmte der Krieg das Leben des Menschen. Er entsprach dem Abenteuersinn, der ein Teil seines Erbes ist. Unsere Psy chologen haben festgestellt, daß der Mensch ein Ventil für die sen ererbten Drang braucht. Wenn dafür nicht Kriege oder irgendwelche gefährlichen Spiele herhalten können, wird er sich durch Verbrechen oder Streitereien Luft zu machen versuchen. Oder er würde stagnieren und an Langeweile sterben.«
*
Meine Begeisterung für das Flugzeugprojekt hatte womöglich noch zugenommen, denn ich sah vor meinen Augen eine Ma schine erstehen, wie sie nirgendwo besser hätte gebaut werden können. Hier in Havatoo hatte ich Hilfsmittel und Materialien zur Verfügung, die nur die Chemiker von Havatoo hervorbringen konnten; synthetisches Holz und Stahl und andere Werkstoffe, die einerseits bemerkenswert leicht waren, andererseits aber eine große Härte besaßen.
Für den Antrieb meines Flugzeugs hatte ich das auf der Erde nicht bekannte Element Vik-ro zur Verfügung, das auf ein an deres Element, Yorsan, in der Weise einwirkt, daß eine darin enthaltene Substanz namens Lor völlig aufgelöst wird. Dabei wird eine unglaubliche Energie freigesetzt. Ein Bröckchen von der Größe meiner Handfläche reichte aus, um das Schiff für alle Ewigkeit mit Energie zu versorgen. Ist es aus diesen Grün den verwunderlich, daß ich der Vollendung eines solchen Flug zeugs mit Ungeduld entgegensah? Mit
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