Verbotene Begierde (German Edition)
viele Sinneseindrücke wie möglich aufzunehmen.
Es war totenstill.
Sie schien sich nicht im Freien aufzuhalten, sie spürte keinen Wind auf ihrer nackten Haut, aber es war kühl, kühler, als es in einem von der Augustsonne aufgeheizten Haus der Fall wäre. Befand sie sich in einer Höhle? Einer Gruft?
Vanessa hörte ein leises Tropfen. Sie horchte noch angestrengter und zählte die Sekunden, um ihren Geist nicht in Panik abdriften zu lassen.
Sechsundvierzig, siebenundvierzig. Das Tropfen wiederholte sich. Fünfundvierzig, sechsundvierzig, wieder. Es konnte sich nur um Wasser handeln. Also musste sie sich tatsächlich in einer Höhle aufhalten. Sie schnupperte und sog die Luft ein, die einen leicht modrigen Geruch hatte. Wie war sie hierhergekommen? Wer hatte sie überwältigt, gefesselt und zurückgelassen? Wer wollte etwas von ihr? Vanessa konnte nicht verhindern, dass ihr Tränen die Wangen hinabrollten.
Die Zeit schien stillzustehen, Vanessa verlor jegliches Gefühl dafür. Waren Sekunden, Minuten oder Stunden vergangen, als sie ein scharrendes Geräusch hörte? Sie befeuchtete ihre trockenen Lippen und kniff die Augen zusammen. Ein schwacher Lichtschein blendete sie unerwartet, aber sie gewöhnte sich rasch an die wachsende Helligkeit.
Eine schemenhafte Gestalt bewegte sich an den Wänden vorbei und entzündete Fackeln, sodass sie raues, naturbelassenes Gestein in einigen Metern Entfernung erkannte, doch die Person huschte von dannen, bevor der Schein des aufflammenden Feuers sie zu erkennen gab.
»Hallo meine Königin.«
Sie zuckte zusammen wie von einem Stromschlag getroffen. Die Stimme klang sanft, aber sie jagte ihr eine Angst ein wie nie zuvor in ihrem Leben. »Steven!«
Er bewegte sich aus dem toten Winkel und stellte sich neben sie. Sie blickte direkt auf seinen Hosengürtel und folgerte, dass sie auf einem Steinsockel lag. Trotz ihrer wenig aussichtsreichen Position beschloss sie, zum Angriff überzugehen.
»Was soll das, Steven? Mach mich auf der Stelle los und lass mich gehen.« Sie fixierte seine bleichen Züge. Seine blauen Augen wirkten im flackernden Feuerschein schwarz, mit einem rötlichen Glanz. Als sich ein Grinsen auf seinem ehemals hübschen Antlitz breitmachte, überfuhr eine eiskalte Gänsehaut Vanessa bis in die Zehenspitzen. Mit äußerster Willensanstrengung vertrieb sie eine herannahende Ohnmacht.
Sein Gesicht war zu einer Fratze entstellt, seine leuchtenden Zähne waren gebleckt und zwei spitze Fangzähne lagen entblößt über seinen Lippen. Ein Anblick des Horrors.
Vanessa riss den Mund auf, doch ihrer wie zugeschnürten Kehle entwich kein Schrei. Steven streckte seine Hand aus. Seine Fingernägel fuhren ihren Hals entlang, übersprangen die Lederfessel und glitten an ihr hinunter, umkreisten wie Messerklingen ihre Brustwarze. Die Finger fuhren tiefer, bahnten sich brutal einen Weg zwischen ihre zusammengepressten Schenkel.
»Lust auf mehr, Liebling? Ich wollte dir seit Monaten zeigen, wie gut ich bin.«
Vanessa würgte einen Schrei hinaus. Sie kreischte, so laut sie konnte, bis eine harte Handfläche, die sich grob auf ihren Mund und ihre Nase presste, ihr Aufbegehren abrupt unterbrach. Panik überflutete ihren Verstand und tausend Nadeln stachen in ihr Herz, als sie den Patienten Vaskardi und das Mädchen erkannte, das sie am Hals operiert hatte. Ihre Augäpfel flogen umher. Insgesamt neun Gestalten hatten sich um sie versammelt, mit Steven Donahue in ihrer Mitte, und alle grinsten sie dreist mit ihren langen Fangzähnen an.
Vanessa schloss mit ihrem Leben ab.
Stevens Krallen schoben sich an eine Schnalle ihrer Halsfessel und löste sie, doch sie konnte sich nicht bewegen, weil sich zwei Hände wie ein Schraubstock von hinten auf ihre Wangenknochen legten und ihren Kopf eisern festhielten. Steven leckte sich genüsslich über die bleichen Lippen, während sich sein Oberkörper langsam ihrem näherte.
Sie wollte erneut losschreien, aber bevor sie tief genug Luft geholt hatte, entwich einigen der Vampire ein bestialisches Knurren. Drei stoben in eine Ecke der Höhle zurück. Der Griff um ihren Schädel lockerte sich und Stevens geöffneter Mund mit den schrecklichen spitzen Zähnen, der sich ihrem Hals bis auf ein paar Zentimeter genähert hatte, entfernte sich mit einem Ausdruck, aus dem nichts als das Böse sprach. Erlösende Dunkelheit umhüllte ihren Geist.
*
Jack erfasste die Situation in weniger als einem Atemzug. Sein Blut schoss ihm in die Füße.
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