Verbotene Nähe
weder an Familienfeiern beteiligt noch sich umarmen lassen.
Er war in die Kirche gegangen, denn Mr. Prescott war Pfarrer gewesen. Er hatte in der Gemeinde geholfen, weil Mrs. Prescott die Pfarrersfrau war. Er war höflich zum ältesten der Mädchen gewesen, Hope, die alles so gut konnte - Sport, Bilder malen, verantwortungsbewusst und forsch agieren. Wäre er grob zu ihr gewesen, hätte sie einfach nur versucht, ihn zu übertrumpfen. Er hatte das nicht ausstehen können.
Er war in die Schule gegangen und hatte gute Noten nach Hause gebracht, weil die Familie schon genug mit Pepper zu tun hatte, die es hasste, das mittlere Kind zu sein. Die Familie hatte nicht noch ein Problemkind gebraucht.
Er hatte mit dem Baby geholfen, mit Caitlin, weil... na ja, weil er nicht anders gekonnt hatte. Er hatte Babys immer schon gemocht, und mit ihren dunklen Haarbüscheln und den blauen Augen war sie einfach zu süß.
Sie sah auf den Babyfotos wie ihre Mutter aus.
Schließlich hatten ihn die Prescotts mürbe gemacht.
Pepper hatte vom ersten Tag an gedacht, er sei ein Rebell wie sie, und sie kam mit ihren Problemen zu ihm. Er ertappte sich dabei, wie er ihren Eltern ihr abscheuliches Benehmen auseinandersetzte, und hatte sie aus so manchem Stubenarrest herausgehauen.
Als sie in Hobart zur Schule gingen, hatten ihn ein paar der Jungs aufs Korn genommen. Hope hatte sich eingemischt, und was ein hübsches, beschauliches Neulingverhauen hätte werden sollen, hatte sich zu einer rauen Prügelei mit einer fuchsteufelswilden Hope ausgewachsen, die ihnen ihre Vorurteile und ihr unchristliches Benehmen ausgetrieben hatte. Abgesehen von einem Besuch beim Schuldirektor, der Hope und Gabriel helfen sollte, waren die Prescotts mit ihren Kindern ausgesprochen zufrieden gewesen - und damit war auch Gabriel gemeint.
Lana Prescott hatte ihn jede Nacht vor dem Schlafengehen und jeden Morgen vor dem Schulweg umarmt. Bennett Prescott hatte ihn mit in seine Werkstatt genommen, weil Männer in einem Frauenhaushalt etwas Platz für sich brauchten, wie er gesagt hatte. Und als sie fünf Wochen alt gewesen war, hatte Caitlin ihm ihr erstes Babylächeln geschenkt.
Deshalb dankte er seinen neuen Eltern an seinem zweiten Weihnachtsfest bei den Prescotts, indem er die beiden Dad- dy und Mama nannte.
Einen Augenblick lang war es auf der Weihnachtsfeier still geworden. Bennett hatte ihn angelächelt und genickt. Lanas Augen hatten sich mit Tränen gefüllt, und sie hatte ihn in die Arme geschlossen. Für Gabriel war dies ein folgenreicher Moment gewesen, einer von zweien, die ihn für den Rest seines Lebens geprägt hatten.
Der zweite war die Ermordung seiner Eltern und die Zerstörung seiner Familie gewesen.
Inzwischen hatte er fast alle seine Geschwister wiedergefunden. Hope und Zack und ihre Kinder. Pepper und Dan und ihre Kinder.
Aber wo Caitlin war, das wusste er nicht. Der Verlust des Babys nagte am Gefüge des Familienfriedens.
Soeben flogen Hope, Pepper und Zack aus Boston ein, um sich Dan und Gabriel, Jason Urbano und Griswald in Austin anzuschließen. Die ganze Familie und ihre Freunde sahen entschlossen der Vollendung des Unternehmens entgegen. Alle wollten dabei sein, wenn ihnen George Oberlin in die Falle ging. Alle wollten ihm das Geständnis abringen, dass er ihre Eltern ermordet hatte; aber vielleicht würden sie sich gezwungenermaßen mit der Information über Caitlin zufriedengeben.
Dann würden sie Caitlin mit Gottes Hilfe finden.
Dies war der Höhepunkt von dreiundzwanzig Jahren Leid, Kummer und Planung. Die Familie balancierte auf des Messers Schneide. Sie würden niemandem erlauben, sich ihnen in den Weg zu stellen. Niemandem erlauben, diese Chance zu zerstören.
Deshalb griff Gabriel zum Telefon, als er den Computeralarm hörte und eine blinkende Nachricht las. »Hey, Dan, wissen wir etwas über Ramos Security? Jemand von denen forscht Senator George Oberlin aus.«
20
An diesem Morgen rief Brad zuallererst Kate zu sich ins Büro. »Wie sehen meine Augen aus?«, fragte er.
Sie sah ihn an. Seine Augen waren gerötet und wirkten müde. Sie genehmigte sich ein »Gut.«
»Sie sehen aus wie zwei Pinkellöcher im Schnee.« Er beugte sich drohend über den Schreibtisch. »Nicht wahr?«
»Ja, Sir.«
»Und sie fühlen sich auch genauso an. Wissen Sie eigentlich, was für ein Ärgernis Sie sind?«
»Ich habe da einen Verdacht ...« War er immer noch wegen der Schulfinanzierungsabstimmung wütend?
»Nein, Sie haben nicht die
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