Verdacht auf Mord
Berg hatte sich aufgebrezelt und trug gebügelte schwarze Jeans und ein flaschengrünes Polohemd einer besseren Marke. Abgesehen davon, dass sie abgenommen und sich eine neue Frisur zugelegt hatte, sah Louise aus wie immer.
Immer noch die gute alte Truppe, stellte Claesson fest. Er spürte deutlich, dass er in dieser Besetzung gerne noch ein Weilchen weitermachen würde. Erika Ljung fehlte als Einzige, aber sie war noch in den Ferien. Sie hatte ihren Vater auf die exotische Südseeinsel begleitet, auf der er geboren war. Vermutlich hatte sie sogar den Namen der Insel erwähnt, aber niemand konnte sich so recht erinnern. Besser gesagt, die grundlegenden Geografiekenntnisse fehlten. Der Einzige, der regelmäßig ins Ausland fuhr, war Lundin. Aber er und seine Frau Mona fuhren immer an denselben Ort, ein kleines Dorf irgendwo an der portugiesischen Küste.
Sie hörten die schweren Atemzüge des Polizeichefs vor der Tür. Es klang, als spräche er mit Benny Grahn, dem Kriminaltechniker, der immer zu viel zu tun hatte.
»Hier sitzt ihr also.«
Gotte stand auf der Schwelle. Er war außer Atem und hatte sein Jackett ausgezogen. Claesson sah, dass er unter seinem Hemd ein weißes Unterhemd trug. Kein Wunder, dass er vollkommen verschwitzt war. Außerdem trug er seinen Schlips so eng, dass ihm seine Backen wie die eines Hamsters über den Kragen hingen.
»Schön euch zu sehen!«, nickte ihr Chef und hielt inne.
Keiner von ihnen sprang auf, um zu demonstrieren, wie viel beschäftigt sie waren. Das war nicht nötig, denn Olle Gottfridsson war ausgesprochen demokratisch veranlagt. Die Opportunistenschar war äußerst gering, was jedoch nicht bedeutete, dass es ihm gegenüber an Respekt gefehlt hätte. Eher im Gegenteil. Ein Mensch, den man nicht fürchten musste, bewies dadurch seine Größe. Und Gotte war klug, das wussten alle.
Ein Jahr noch würde Gotte den Posten des Polizeichefs innehaben. Wer seine Nachfolge antreten würde, war noch ungewiss, aber es waren schon wilde Spekulationen in Umlauf. Den meisten wäre jemand von außen recht gewesen. Frisches Blut, neue Ideen.
Obwohl die alten, erprobten Methoden immer wieder zur Anwendung kommen, ganz egal, wie man es angeht, dachte Claesson.
»Claesson, hättest du einen Moment Zeit?«
Gotte war also seinetwegen gekommen. Er erhob sich und folgte Gotte auf den Gang.
»Ein junger Mann namens Martin Bodén hat angerufen, um sich über dein Verhalten seiner Mutter gegenüber zu beklagen. Was hast du dazu zu sagen?«
Ein unbehagliches Hitzegefühl durchströmte seinen Körper vom Scheitel bis zur Sohle. Gotte erkannte sein Unbehagen und neigte seinen Kopf zur Seite. Seine Wangen folgten nach.
»Sollen wir zu mir reingehen?«
»Nein, ist nicht nötig, ich war nur so überrascht.«
Gotte wartete ab. Er müsste seine Brille putzen, dachte Claesson und sah Gotte geradewegs in seine etwas wässrigen Augen. »Ich habe weder etwas Ungebührliches gesagt noch getan. Bloß die üblichen Fragen hinsichtlich des Todes ihres Mannes gestellt. Schließlich handelt es sich ja um eine Mordermittlung.«
»Vielleicht ist das ja der Grund.«
»Kann sein. Ich war sogar so rücksichtsvoll, ihr nicht zu erzählen, dass ihr Mann ein Techtelmechtel mit der Nachbarsfrau hatte. Jedenfalls noch nicht.«
»So ist das also.«
»Wie klang der Sohn?«
»Aufmüpfig, sagt man nicht so?«
Das Wort klang ungewohnt in Gottes Mund.
»Doch.«
»Er studiert an der Handelshögskolan in Stockholm. Er ist der Auffassung, dass seine Mutter Hilfe braucht und nicht beunruhigt werden darf. Er findet natürlich, dass die Aufklärung des Mordes an seinem Vater viel zu langsam vorankommt … und so weiter. Ja, du weißt schon.«
Ja, Claesson verstand vollkommen. Obwohl Nina Bodén bei ihrem Besuch nicht den Eindruck erweckt hatte, als fühlte sie sich ungewöhnlich schlecht behandelt. Aber so etwas war natürlich immer relativ. Und der Sohn in Stockholm versuchte mittels Fernsteuerung seine Ohnmachtsgefühle und die Lage in den Griff zu kriegen. Er musste zusehen, dass er Nina Bodén zukünftig nur noch in Begleitung aufsuchte.
Die Menschen tun die seltsamsten Dinge, wenn es ihnen nicht gut geht, dachte er.
Da klingelte sein Handy.
Kerstin Malm, die heute ganz in erikafarbener Garderobe steckte, winkte ihm freudig zu.
»Tut mir leid, dass ich letzthin nicht antreffbar war.«
»Kein Problem.«
Wie beim letzten Mal nahmen sie an dem kleinen Tisch in ihrem Büro Platz, aber dieses Mal zündete sie die
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