Verdacht auf Mord
ihr dritter Arbeitstag nach dem Mutterschutz gewesen, und ihr hatte allmählich gedämmert, wie die Arbeitseinteilung aussehen würde.
»Ich war zu Hause«, hatte sie erwidert. Aber die Bemerkung, sie sei im Telefonbuch zu finden, hatte sie sich verkniffen.
Als später einer der neuen Kollegen die Litanei angestimmt hatte, dass die Patienten früher zufriedener und die Ärzte angesehener gewesen seien und außerdem besser verdient und mehr Einfluss gehabt hätten, hätte sie ihm fast eine aufs Maul gehauen. Sie war streitlustig gewesen. Eine gegen alle.
Das meiste war heutzutage tatsächlich besser. Mehr Patienten überlebten und führten ein anständigeres und längeres Leben. Die Eingriffe waren weniger drastisch, es gab weniger Nebenwirkungen, und Medikamente ersetzten chirurgische Eingriffe, was oft schonender war. Aber sie hatte die Zähne zusammengebissen und nichts gesagt.
Eines der Gesichter am Nachbartisch meinte sie wiederzuerkennen. Während sie noch darüber nachdachte, woher sie ihn wohl kannte, sah sie Christina Löfgren in Begleitung eines Kollegen auf sich zukommen, was sie enttäuschte. Sie hatte sich in Ruhe unterhalten wollen. Es fiel ihr äußerst schwer, Konversation zu betreiben, wenn sie nicht in Form war. Sie hatte den Mann auch schon einmal irgendwo gesehen, aber zu ihrer großen Erleichterung ging er an ihrem Tisch vorbei.
»Wer war das?«, wollte sie wissen.
»Pierre Elgh«, antwortete Christina Löfgren. »Ein Anästhesist.«
Veronika nickte. Sie konnte fast den Groschen fallen hören. Elgh hatte an ihrem Krankenhaus einige Male für die dortigen Narkoseärzte die Vertretung übernommen. Sie hatte ihn meist nur in der grünen Operationskleidung gesehen, in der kaum jemand wiederzuerkennen war. Er war nett. Wenn sie nicht irrte, so stammte er aus derselben Gegend wie sie.
Claes Claesson schrieb eifrig mit. Ihm war dabei nicht ganz wohl zumute. Er hätte das Gespräch eigentlich direkt an Louise Jasinski weiterleiten müssen. Schließlich hatte er selbst sie ja gebeten, die Leitung zu behalten, bis Veronika wieder zu Hause und Klara im Kindergarten eingewöhnt sein würde. Aber wo er jetzt Gillis Jensen schon einmal am Apparat und sich außerdem schon mit Jan Bodéns Frau unterhalten hatte, konnte er genauso gut die Informationen entgegennehmen. Aber die Ermittlung konnte er keinesfalls übernehmen. Dafür blieb ihm momentan einfach nicht genügend Zeit.
»Könnten Sie bitte wiederholen, was auf dem Zettel stand?«, fragte er.
Jensen las die Zahlen noch einmal vor, und er schrieb mit.
»43 32 43.«
Er wusste nicht, wieso er die Zahlen spontan in Zweiergrüppchen aufteilte wie bei einer sechsstelligen Telefonnummer.
»Haben Sie auch die Vorwahl?«, fragte er.
»Bitte?«
»Das sollte bloß ein Witz sein. Sieht ja aus wie eine Telefonnummer.«
»Könnte sein. Oder ein Code für irgendwas. Man könnte sich die Zahlenkombination für einen Safe vorstellen oder für ein einfaches Vorhängeschloss oder einen Computer.«
Claesson überlegte, wer das wohl herausfinden könnte, zügelte sich dann aber. Das war die Angelegenheit der Lunder Polizei. Nicht ihre.
Sie vereinbarten, in Verbindung zu bleiben. Dann widmete er sich seinen Notizen.
Frau Bodéns Sorge war also berechtigt gewesen. Er suchte in seinem Gedächtnis nach ihrem Vornamen, konnte sich aber nicht erinnern. Egal, ihr Mann war also nicht zu einer Geliebten gezogen. Er war auch nicht vor irgendwelchen Schulden beim Finanzamt davongelaufen. Er war tot.
Emmy und Trissan waren um zehn Uhr verabredet gewesen, und jetzt war es bereits fünf nach.
Emmy saß ausgerechnet in Omas Café und wartete. Das Café lag am Knut den Stores Torget gegenüber vom Bahnhof. Sie gingen selten dorthin, aber jetzt hatten sie sich auf dieses Lokal geeinigt.
Sie kam sich an diesem Ort irgendwie schutzlos und deplatziert vor. Sie kannte hier niemanden. Das war auch einer der Gründe gewesen, warum sie sich ausgerechnet hier verabredet hatten. Hier würden sie sich ungestört unterhalten können.
Mit anderen Worten: Der Treffpunkt war nicht ohne Bedacht gewählt. Eine recht lange Verhandlung war dem Beschluss vorausgegangen. Etliche SMS und Nachrichten auf der Handymailbox, ohne dass sie sich erreicht hatten. Das war seltsam, aber die Erklärung war natürlich recht einfach. Sie hatten beide einfach keine größere Lust gehabt, sich zu sehen. Jedenfalls nicht so bald.
Sie hatten sich ein wenig überbekommen und brauchten deswegen etwas
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