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Verfallen

Titel: Verfallen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Verhoef
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mir die Tropfen über die Schläfen rinnen. Stockend schnappe ich nach Luft.
    Der Mann vor mir blickt zu Boden, als warte er auf irgendetwas oder überlege, was er sagen soll. Ich sehe, dass er unter seiner Maske eine Sturmhaube trägt und dünne schwarze Handschuhe seine Hände bedecken. Dadurch kann ich weder seine Haar- noch seine Hautfarbe erkennen.
    Sekundenlang geschieht nichts, und ich höre nur ihren Atem hinter den Plastikmasken. Dann tritt der Mann vor mir näher an mich heran, ganz dicht.
    Ich weiche zurück, werde aber von meinem Bewacher grob aufgehalten. Sein Geruch steigt mir in die Nase – er ist kein Raucher.
    Der Mann vor mir stinkt jedoch nach Tabak. Wieder rieche ich die billigen Selbstgedrehten und den Muff seiner Kleidung, als hätte sie zu lange in einem feuchten Raum gelegen.
    Er ist einer meiner Entführer.
    Die Maske berührt nun fast mein Gesicht. Ich erkenne undeutlich das Funkeln seiner Augen. Blitzschnell schießt seine Hand hoch und umklammert so brutal meinen Unterkiefer, dass ein Auge zugedrückt wird und mein Mund ein »O« formt. Mit dem Daumen presst er die Wange gegen meine Zähne. Ich schmecke Blut.
    » Gut , Eva. Ich werde dich jetzt einmal höflich fragen …« Eine harte, unangenehme Stimme, aber der Akzent klingt nicht skandinavisch, sondern deutsch. Er ist Deutscher. »Wo ist Dianne?«
    Dianne.
    Er hält mein Gesicht so fest, dass meine Worte verzerrt klingen. »I-ich weiß es n-nicht.«
    Den Schlag in den Magen habe ich nicht kommen sehen. Ich klappe zusammen, aber der Mann hinter mir hält mein Handgelenk fest. Ich spüre, wie mein Schultergelenk ausgekugelt wird. Ich stoße einen Schrei aus.
    »Los, sag schon, verdammt noch mal!«
    Der Mann hinter mir packt mich an den Haaren und reißt meinen Kopf zurück, sodass ich meinen Peiniger ansehen muss.
    Zähneklappernd antworte ich: »I-ich w-weiß es wirklich n-nicht.«
    » Quatsch! «
    »Ich …« Ich muss schlucken, habe einen Kloß im Hals. Und Blut.
    »Und?«, bedrängt er mich auf Französisch. »Hast du die Sprache verloren?«
    »Ich … Ich w-weiß nicht, wo sie ist. Glaub mir. B-bitte.«
    Ich rechne mit einem zweiten Schlag und wappne mich dagegen, mit fest geschlossenen Augen.
    Nichts passiert.
    Der Mann hat sich umgedreht und ist weggegangen, den Gang entlang. Die Tür fällt mit einem Schlag hinter ihm zu.
    Ich bleibe allein mit meinem Bewacher zurück. Ich höre ihn gegen die Innenseite der Maske atmen. Er lockert seinen Griff ein wenig, sodass ich aufrechter stehen kann. Langsam lässt er meine Haare los, und ich kann mich freier bewegen.
    Ich glaube, er hat Mitleid mit mir. Er will mir nicht mehr wehtun als unbedingt nötig. Dass ich mit einem von ihnen allein gelassen wurde, der möglicherweise Mitleid mit mir empfindet, verleiht mir Hoffnung.
    »Ich kann euch nicht helfen«, flüstere ich. »Ich weiß nicht, wo Dianne steckt … Ich weiß es nicht, wirklich nicht. Ich bin hergekommen, um sie zu suchen. Bitte. Lass mich gehen.«
    Bevor der Mann reagieren kann, geht die Tür wieder auf. Der Befrager kehrt in Begleitung eines dritten und vierten Mannes zurück. Sie schließen die Tür hinter sich ab.
    Der kleinere der beiden Neuen ist schmal gebaut, aber vielleicht wirkt er auch nur so, weil sein Begleiter so überaus imposant aussieht – er ist er größte der vier. Im Gegensatz zu den anderen trägt er eine Wildschweinmaske aus grobem, dunklem Gummi mit langer Schnauze und gebogenen Hauern. Diese Maske soll nicht komisch oder spielerisch wirken, sondern lebensecht. Furcht einflößend.
    Der schmale Mann kommt auf mich zu. »Du bist eine Freundin von Dianne?«, fragt er in akzentfreiem Französisch.
    Ich nicke hölzern.
    »Weißt du, warum du hier bist?«
    Ich schüttele den Kopf. »Nein.«
    »Was willst du hier? Hat Dianne dich gebeten, ihr zu helfen?«
    Wieder schüttele ich den Kopf.
    Hinter der Maske ertönt ein verärgerter Seufzer. »Meine Freunde haben nicht so viel Geduld wie ich, Eva, sie teilen gerne eine Tracht Prügel aus. Und ich habe sie schon Schlimmeres tun sehen. Du bist eine hübsche, gesunde junge Frau. Noch jedenfalls. Und du scheinst nicht dumm zu sein. Also solltest du uns lieber schnell alles erzählen, was du weißt.«
    Ich versuche zu schlucken. Stotternd bringe ich hervor: »Ich mache hier Urlaub. Ich weiß nicht, was ihr …«
    »Wann hast du sie zum letzten Mal gesehen?«
    »Gesehen?« Angst und Panik bilden eine dicke, neblige Barriere zwischen mir und den Karteikästen meines

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