Verfuehrung
ihm in der Stadt nichts als Scherereien gemacht habe.«
Bess runzelte besorgt die Stirn. »Was hör ich da? Du warst ihm doch eine gute Frau, oder etwa nicht, Mädel?«
»Aber sicher. Ich bin die beste aller Ehefrauen. Ravenwood hat ein enormes Glück, daß er mich hat, aber ich bin mir nicht immer sicher, daß ihm das auch bewußt ist.« Sophy nahm die Zügel ihres Pferdes.
»Bah. Du machst dich wieder lustig über mich. Jetzt aber fort mit dir, bevor du dich verkühlst. Du mußt auf jeden Fall herzhaft essen, du wirst deine Kraft brauchen.«
»Mach dir keine Sorgen, Bess«, sagte Sophy und schwang sich in den Sattel. »Mein Appetit ist so groß und undamenhaft wie eh und je.«
Sie rückte die Falten ihres Rockes zurecht, prüfte, ob die Kräuterpäckchen auch sicher verstaut waren und gab dann ihrer Stute die Sporen.
Hinter ihr blieb Bess zurück, die beobachtete, wie Roß und Reiter in den Wald verschwanden.
Die Stute kannte die Abkürzung zurück zum Abby. Sophy überließ es dem Tier, den Weg durch den Wald zu finden, während ihre Gedanken zurück zu dem wanderten, was sie heute nacht gelesen hatte.
Die Geschichte des langsamen Verfalls ihrer Vorgängerin in den
Wahnsinn, wenn man es so nennen konnte, war nicht besonders aufschlußreich gewesen, aber auf jeden Fall ein sehr spannender Lesestoff.
Sophy hob den Kopf und sah den schicksalhaften Teich, der gerade zwischen den Bäumen auftauchte. Sie zügelte das Pferd. Das Tier senkte den Kopf und suchte nach etwas zu knabbern, während Sophy still dasaß und den Tatort studierte.
Wie sie Bess gesagt hatte, glaubte sie nicht, daß Elizabeth Selbstmord begangen hatte, und das Journal hatte die ziemlich interessante Tatsache enthüllt, daß die erste Gräfin von Ravenwood schwimmen konnte. Natürlich, wenn eine Frau in ein tiefes Wasser stürzte, mit einem schweren Reitkostüm oder etwas Ähnlichem bekleidet, konnte sie sehr wohl ertrinken, gleichgültig wie gut sie schwimmen konnte. Das enorme Gewicht von so viel wassergetränktem Stoff könnte das Opfer leicht in die Tiefe ziehen.
»Wie komme ich dazu, mir den Kopf über Elizabeths Tod zu zerbrechen?« fragte sie die Stute. »Ich kann nicht behaupten, daß ich mich langweile oder im Abbey nicht genug zu tun habe. Das ist doch pure Dummheit, wie Julian mir sicher als erster sagen würde, wenn er hier wäre.«
Das Pferd ignorierte sie und beschäftigte sich lieber mit dem saftigen Gras, das hier wuchs. Sophy zögerte noch einen Moment, dann glitt sie aus dem Sattel. Sie nahm das Pferd am Zügel und ging zum Ufer des Teichs. Hier gab es ein Geheimnis, und sie spürte instinktiv, daß es dabei eine Verbindung zum Tod ihrer Schwester gab.
Ihre Stute wieherte leise, um ein anderes Pferd zu begrüßen. Überrascht, daß noch jemand auf diesem Teil der Ravenwood Ländereien unterwegs war, wollte Sophy sich umdrehen.
Sie war nicht schnell genug. Der Reiter war bereits abgestiegen und ihr schon zu nahe. Sie erhaschte einen kurzen Blick auf einen Mann in einer schwarzen Maske, der einen riesigen schwarzen Mantel trug, der sich im Wind bauschte. Sie wollte schreien, aber die Falten des Umhangs hüllten sie ein, und sie war in stickiger Dunkelheit gefangen.
Sie verlor die Zügel und hörte, wie die Stute erschrocken schnaubte und dann losgaloppierte. Sophys Häscher fluchte wütend, als die Hufschläge des Pferdes in der Ferne verhallten.
Sophy strampelte wild um sich in ihrem Stoffgefängnis, aber einen Augenblick später wurde eine starke Schnur um ihre Mitte und ihre Beine gewickelt, so daß sie sich nicht mehr bewegen konnte.
Und dann wurde sie über ein Sattelhorn geworfen, daß ihr die Luft wegblieb.
»Wollt Ihr mich etwa jetzt töten für etwas, was vor fast fünf Jahren passiert ist, Ravenwood?« fragte Lord Utteridge mit einem gelangweilten Seufzer. »Ich hätte nicht gedacht, daß Ihr in solchen Dingen so langsam seid.«
Julian und er standen in einer kleinen Nische am Rande von Lady Salisburys glitzerndem Ballsaal. »Spielt bitte nicht den Idioten, Utteridge. Ich habe kein Interesse daran, was vor fünf Jahren passiert ist, und das wißt Ihr auch. Mich interessiert nur die Gegenwart. Und täuscht Euch ja nicht, was in der Gegenwart passiert, liegt mir sehr am Herzen.«
»Mein Gott, ich hab doch nur mit Eurer neuen Gräfin getanzt. Und das auch nur einmal. Wir wissen beide, daß Ihr mich unter einem so fadenscheinigen Vorwand nicht fordern könnt. Das würde einen Skandal schaffen, wo gar keiner
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