Vergeltung
erhältlich; diese Nummer musste man haben, bevor man die Urkunde selbst beantragen konnte. Man brauchte viel mehr Zeit und Geduld, um den Betrug auf den Weg zu bringen. Und das hinterließ eine Datenspur. Carol tippte schnell ein, was man am Montag veranlassen könnte, und schickte den Vorschlag an Ambrose. Irgendein armer Kerl würde das Pech haben, sich zum Standesamt begeben und herausfinden zu müssen, ob Terry Gates Geburts-, Heirats- oder Sterbeurkunden beantragt hatte. Das würde zumindest einen Ausgangspunkt für mögliche Decknamen bringen, unter denen Vance agierte.
Natürlich hielt sich dieser Tage niemand mit dem langsamen Zusammensetzen einer wirklichen Identität auf. Fälschungen waren inzwischen so raffiniert, dass es ausreichte, den Fälscher mit einem Namen, dem Geburtsdatum und einem Foto auszustatten, um eine Reihe von Dokumenten zu bekommen, die ziemlich echt aussahen. Aber man musste doch einen realen Ausgangspunkt haben, falls jemand es nachprüfte. Carol hätte ein Monatsgehalt gewettet, dass Terry Gates das Verzeichnis in Westminster genutzt hatte, um eine plausible Identität für Jacko Vance zu finden. Vielleicht sogar mehr als eine.
Einzelheiten wie die auf Terry Gates’ SIM-Karte zu überprüfen ging dank der Möglichkeiten des Internets und der Datenbanken, auf die die Polizei Zugriff hatte, unendlich viel schneller und leichter. Was Carol innerhalb von zwei Stunden erreichte, hätte vor ein paar Jahren für mehrere Beamte tagelanges Herumlaufen und das Befragen von Menschen bedeutet, die sich am Rande der Legalität bewegten. Obwohl Carol nur mit einem menschlichen Wesen, einem alten Kumpel im Betrugsdezernat sprach, hatte sie eine ziemlich klare Vorstellung davon, was Terry Gates getan hatte. Firmengründung, Ausweise, Privatbanken, eine private, mit Sicherheit zwielichtige Detektei und ein ehemaliger Anwalt, dessen Spezialität es war, sich im Grundbuchamt kundig zu machen, um Informationen über Grundstücke und Immobilien an schäbige Schreiberlinge der Regenbogenpresse zu verkaufen. Das ließ auf zwei unterschiedliche Unternehmungen schließen. Die erste war, neue Identitäten anzulegen und für Vance Verbindungen zu schaffen, durch die er wieder Zugang zu seinem Geld hatte. Das zweite Ziel war ganz klar, andere Personen aufzuspüren und herauszubekommen, wo sie wohnten. Wahrscheinlich die Zielobjekte für Vance’ Rache. Eine Gruppe von Kripobeamten würde am Montagmorgen in der Tat viel zu tun haben, wenn sie Vance bis dahin noch nicht gefunden hatten. Wenigstens würden sie dann eine klarere Vorstellung vom Ausmaß der Abrechnung haben, die Vance geplant hatte.
Sie hatte eine detaillierte Notiz für Patterson fast fertig, als Stacey Chen hereinkam. Sie sah aus, als sei sie geradewegs den Seiten einer Wochenendbeilage entsprungen – mit ihrem perfekt abgestimmten Designer-Freizeitoutfit und einem Henk-Koffer. Weil Carol es gegoogelt hatte, wusste sie, dass der schnittige schwarze Handgepäckkoffer aus Karbonfasern mehr als zehntausend kostete. Früher einmal hatte sie sich gefragt, ob Stacey bestechlich sei. Dann hatte sie ein bisschen tiefer gegraben und entdeckt, dass schon allein eine der Software-Anwendungen, die Stacey in ihrer Freizeit entwickelte, ihr in den letzten fünf Jahren mehr als eine Million jährlich eingebracht hatte.
Carol hatte Stacey einmal gefragt, warum sie sich eigentlich noch die Mühe mit dem Alltagsjob machte. »Wenn ich das als normale Bürgerin täte, was ich hier in dem Job mache, würde ich verhaftet. Ich mag es, die Erlaubnis zu haben, in anderer Leute Daten herumzuschnüffeln«, hatte sie geantwortet. Kurz hatte sie auch einen ausdruckslosen Blick auf Sam Evans geworfen, was eine Antwort war, die auf einem anderen Blatt stand.
Stacey entdeckte sie und kam herüber. »Danke, dass du gekommen bist«, sagte Carol.
»Es hört sich viel interessanter an als die Fälle in Bradfield«, erklärte Stacey. »Bisher ging es nur um Routinesachen. Obwohl Paula etwas gefunden hat, das definitiv Aussichten auf Data-Mining bietet.«
»Wirklich?« Carol hatte Bradfield in den letzten vierundzwanzig Stunden überhaupt nicht mehr auf dem Schirm gehabt. Staceys Kommentar erinnerte sie, dass sie auch an einem anderen Ort Verantwortung trug. »Sie hat nichts zu mir gesagt.«
Staceys Gesichtsausdruck verriet nichts. »Wir dachten alle, dass Sie genug am Bein hätten. Und es ist so eine komische Idee, dass Paula es vorher nachprüfen wollte, bevor sie es an
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