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Vergiss den Sommer nicht (German Edition)

Vergiss den Sommer nicht (German Edition)

Titel: Vergiss den Sommer nicht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Morgan Matson
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zittern. »Er wird nicht wieder gesund«, sagte ich und zwang mich, weiterzusprechen, damit Henry nicht fragen musste. »Das ist der eigentliche Grund …« Meine Stimme verfing sich in meinem Hals, und ich sah angestrengt nach unten auf meine Füße im Wasser, wobei ich versuchte mich zu sammeln. »Der eigentliche Grund, weshalb wir hier sind. Um einen letzten gemeinsamen Sommer miteinander zu verbringen.« Als ich mit Reden fertig war, quoll eine Träne über und ich wischte sie ab, in der Hoffnung, dass Henry sie nicht gesehen hatte. Ich wollte nicht sofort und gleich zusammenbrechen.
    »Das tut mir so leid, Taylor«, sagte Henry nach einer Weile. Ich schaute zu ihm und in seinem Gesicht sah ich etwas, das ich bisher bei niemandem von denen gesehen hatte, die es wussten – vielleicht eine Einsicht in das, was ich durchmachte. Oder jemanden, der auch etwas durchgemacht hatte, das die wenigsten Leute wirklich verstehen konnten.
    »Wahrscheinlich hätte ich dir das gleich am ersten Tag sagen sollen«, fügte ich noch hinzu. Mit der Hand strich ich über die glatten Planken des Stegs und hatte das Gefühl, dass es irgendwie in Ordnung ging, dass wir hier saßen, wo wir uns das erste Mal wiederbegegnet waren – dass wir auf diese Weise den Kreis schlossen. »Aber ich wollte wahrscheinlich lieber so tun, als ob das alles nicht wahr ist.«
    »Das kann ich verstehen«, sagte er. Eine Weile saßen wir schweigend zusammen. Dann frischte der Wind auf und blies Henry die Haare in die Stirn. »Was du vorhin vorgeschlagen hast«, sagte er. »Das mit dem Freunde sein. Ich glaube, das sollten wir versuchen.«
    »Wirklich?«, fragte ich. Henry nickte mit ernstem Gesicht. »Und was ist mit dem, was du gesagt hast – mit den ganzen Sachen, die in den letzten fünf Jahren passiert sind?«
    Henry zuckte mit den Schultern und grinste. »Das holen wir eben auf.« Er zog seine Füße aus dem Wasser und drehte sich so, dass er mir gegenübersaß. »Wann fangen wir damit an? Jetzt?«
    Ich sah ihn nur an, wie er im Mondlicht vor mir saß, und konnte kaum glauben, dass mir das alles so bereitwillig angeboten wurde. Ich schämte mich, dass ich von Henry so wenig erwartet hatte – dass ich gedacht hatte, er würde mir nicht verzeihen wollen, nur weil ich wahrscheinlich so reagiert hätte. Und in dem Moment war es, als ob ich plötzlich eine zweite Chance bekommen hatte, von der ich wusste, dass ich sie eigentlich nicht verdiente. Aber trotzdem war sie da. Ich zog ebenfalls meine Füße aus dem Wasser und drehte mich zu ihm. »Ja«, sagte ich und fühlte, dass sich ein ganz kleines Lächeln auf mein Gesicht geschlichen hatte. »Jetzt klingt gut.«

Kapitel 27
    Am Tag, nachdem Henry und ich auf dem Steg Frieden geschlossen hatten, tauchte sein Bruder mit einer Idee bei uns auf.
    Henry und ich waren bis fünf Uhr morgens aufgeblieben. Wir hatten auf dem Steg gesessen, ab und zu die Füße ins Wasser getaucht und uns Geschichten erzählt – aber es war nicht wie eine hastige, möglichst lückenlose Berichterstattung. Stattdessen ging es ganz entspannt hin und her, so wie wir früher Comic-Hefte getauscht hatten (ich stand total auf Betty & Veronica, währender – wie er jetzt zugab – von Batman schon fast krankhaft begeistert gewesen war). Über den Wegzug seiner Mutter sagte Henry nichts weiter, genauso wie ich nicht über Dads Krankheit reden wollte. Auch eventuelle Beziehungskisten aus den vergangenen Jahren klammerten wir aus. Aber alle anderen Themen waren potenzieller Gesprächsstoff.
    Henry berichtete zum Beispiel, wie er sich fast ein Tattoo hatte stechen lassen, und zeigte mir als Beweis einen kleinen Punkt auf seinem Oberarm, der fast wie eine Sommersprosse aussah. Eigentlich sollte es ein Tribal werden, aber mit dem ersten Stich war ihm aufgegangen, dass er gerade einen großen Fehler beging. »Die haben mir trotzdem die Knete für das ganze Tattoo abgeknöpft, kannst du dir das vorstellen?« Im Mondlicht begutachtete ich die winzige Fast-Tätowierung.
    Ich erzählte ihm von meinem kurzzeitigen Bedürfnis, Meeresbiologin zu werden und dass ich die Idee jedoch schnell wieder verworfen hatte, weil ich Fische eigentlich eklig fand und auf Schiffen ständig seekrank wurde. Wichtige Erkenntnisse, die vor meinem Sommer in einem Meereskunde-Camp nützlich gewesen wären.
    Henry beichtete mir, dass er zweimal durch die Fahrprüfung gefallen war und auch beim dritten Anlauf nur mit Müh und Not bestanden hatte. Von mir erfuhr er, dass

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