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Vergiss den Sommer nicht (German Edition)

Vergiss den Sommer nicht (German Edition)

Titel: Vergiss den Sommer nicht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Morgan Matson
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die Bedingung, dass rund um die Uhr Pflegepersonalvor Ort war. Außerdem durfte er keine Treppen mehr steigen, sodass ein spezielles Bett – das man per Fernbedienung regulieren konnte, wie im Krankenhaus – im Wohnzimmer aufgestellt wurde. Dazu räumten wir den Tisch, den wir sowieso nie benutzten, beiseite. Auf der Veranda stand in der Ecke ein Rollstuhl, wie ein schreckliches Vorzeichen dessen, was noch kommen sollte.
    Zu dem Gefühl, dass der Sommer nicht mehr sein würde, wie er bisher war, trug zusätzlich die Anwesenheit meines Großvaters bei. Nachdem ich auf dem Steg mit Henry gesprochen hatte, war ich ins Haus gegangen und hatte eine Stunde lang geweint, was Warren große Angst eingejagt hatte. Er war mit Wendy samt einer Pizza zum Abendessen nach Hause gekommen und hatte weder mit der Nachricht von Dad noch mit einer völlig verzweifelten Schwester gerechnet.
    Als ich mich wieder einigermaßen im Griff hatte – und Warren mir seelischen Beistand leistete –, rief ich meinen Großvater in New York an und schilderte ihm die Situation. Ich hatte die Worte kaum fertig ausgesprochen, als er mir auch schon genau erklärte, mit welchem Bus er zu kommen gedachte und wann ich ihn abholen sollte. Während also meine Mutter mit den Leuten vom Pflegedienst und dem Bettaufbau beschäftigt und Warren mit Gelsey unterwegs war, um sie bei einem Eis darüber zu informieren, was vor sich ging (dass es dabei zehn Uhr morgens war, spielte keine Rolle), fuhr ich nach Mountainview, um auf Großvaters Bus zu warten.
    Ich war etwas zu früh da und stellte das Auto in der Nähe der Bushaltestelle ab. Als ich ausstieg, fiel mir auf, dass es vielleicht besser gewesen wäre, etwas mehr auf mich zu achten. Nicht mal Schuhe hatte ich an, was in Lake Phoenix ja eigentlich kein Problem war. Meine Füße waren inzwischen so abgehärtet, dass ich ohne Probleme unsere Einfahrt entlangrennen konnte, und ich fuhr sowieso am liebsten barfuß. An die kleinen Sandkörnchen an meinen Füßen und den Pedalen hatte ich mich gewöhnt. Trotzdem dachte ich eigentlich so gut wie immer daran, wenigstens ein Paar Flip-Flops ins Auto zu werfen, damit ich nicht völlig wie ein Landei aussah, wenn ich mal woanders ausstieg. Aber nachdem ich die Nacht zuvor kein Auge zugemacht hatte, weil ich pausenlos darüber nachdenken musste, ob das mit Henry wirklich richtig gewesen war, und angesichts der vielen Leute und Geräte am Morgen im Haus war ich nicht gerade auf dem Gipfel meiner geistigen Verfassung.
    Der Bus traf pünktlich ein und ich lief ihm auf dem sonnenheißen Fußweg entgegen. Die Türen gingen auf, Menschen stiegen aus und der dritte war mein Großvater. Er kam auf mich zu, ich winkte und bekam ein knappes Nicken zur Antwort.
    Obwohl es Samstagvormittag war und das Thermometer schon über 30 Grad anzeigte, trug er ein Hemd und ein blaues Jackett, Khakihosen mit Bügelfalte und Segelschuhe. Sein weißes Haar war sauber gescheitelt. Er hatte eine kleine Lederreisetasche und einen etwas größeren Koffer dabei, die er so mühelos anhob, als ob sie gar nichts wogen. Beim Näherkommen fiel mir mit Entsetzen auf, dass mein Großvater, der mir immer uralt vorgekommen war, um Längen besser aussah als mein Vater.
    »Taylor«, sagte er, als er mich erreicht hatte, und umarmte mich kurz. Er sah meinem Vater nicht besonders ähnlich – Dad schien mehr nach meiner Großmutter zu kommen, zumindest nach den Fotos zu urteilen, die ich von ihr gesehen hatte – doch jetzt fiel mir zum ersten Mal auf, dass er die gleichen blauen Augen hatte wie Dad. Und wie ich.
    »Hallo«, antwortete ich und fühlte mich augenblicklich unbehaglich in seiner Gegenwart. Ich fragte mich, wie lange er wohl bleiben wollte. »Das Auto steht da drüben.« Als ich auf die Fahrerseite ging, spürte ich seinen Blick auf meinen Füßen. Er zog eine Augenbraue hoch, sagte aber nichts, wofür ich ihm dankbar war. Ich hätte nicht gewusst, wie ich erklären sollte, warum ich am Morgen meine Schuhe vergessen hatte.
    »Tja«, sagte er, als wir zusammen in Richtung Lake Phoenix unterwegs waren. Wie immer saß er so kerzengerade da, als ob er einen Stock verschluckt hatte, und unwillkürlich setzte ich mich ein wenig aufrechter. »Wie geht’s Robin denn?«
    Ich brauchte einen Moment, bis mir aufging, dass er damit meinen Dad meinte. Natürlich wusste ich, dass er Robin hieß, aber alle nannten ihn nur Rob, und mein Großvater war praktisch der Einzige, der je diesen Namen verwendete. »Er ist

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