Vergiss den Sommer nicht (German Edition)
Wasser in unserem winzigen Boiler alle war.
Als ich wieder in die Küche kam, war die Luft von Kaffeeduft erfüllt. Die Kaffeemaschine blubberte und zischte und die Kanne war schon zur Hälfte voll. Mein Vater saß auf der Veranda, hatte seinen Laptop vor sich, hielt eine dampfende Kaffeetasse in der Hand und lachte über irgendwas, das Mom gerade gesagt hatte. Und obwohl ich wusste, was der Kalender am Kühlschrank bedeutete, ergab das alles für mich keinen Sinn – nicht, wenn ich meinen Vater da in der Sonne sitzen sah und wie er für jeden, der es nicht wusste, vollkommen gesund aussah. Ich ging zur Veranda, lehnte mich in die Tür, und mein Vater drehte sich nach mir um.
»Hallo Kleines«, sagte er. »Na, was gibt’s Neues?« Und noch ehe ich an dem Klumpen in meinem Hals ein paar Worte als Antwort vorbeigeschleust hatte, schaute er lächelnd auf den See hinaus. »Sieht doch nach einem wunderschönen Tag aus da draußen, oder?«
Metamorphose
Kapitel 7
Wort mit zwölf Buchstaben für »Veränderung«. Ich starrte auf das Kreuzworträtsel im Pocono Record und tippte mit dem Bleistift auf die leeren Kästchen von 19 waagerecht. Beim Überlegen schaute ich durch die Veranda hinaus auf den See. Normalerweise waren Kreuzworträtsel nicht unbedingt mein Hobby, aber so langsam fiel mir echt nichts mehr ein. Nach fünf Tagen in Lake Phoenix langweilte ich mich wahnsinnig. Und das Schlimmste daran war, dass ich mich nicht mal wie bei sonstigen Familienurlauben oder Gelseys endlosen Tanzvorführungen bei irgendwem darüber beklagen konnte. Denn dieser Sommer war ja schließlich nicht zur Unterhaltung gedacht. Spaß stand definitiv nicht auf der Liste. Aber das änderte nichts an der Tatsache, dass ich mich schrecklich langweilte und mir langsam die Decke auf den Kopf fiel.
Draußen hörte ich das nun schon vertraute Reifenknirschen des FedEx-Transporters in unserer Einfahrt und sprang auf, um das tägliche Paket in Empfang zu nehmen, was wenigstens eine kleine Abwechslung war. Aber als ich rauskam, sah ich Dad schon den weißen Karton in den Händen halten und dem Fahrer zunicken, der mit seinen täglichen Lieferungen schon fast zur Familie gehörte.
»Ihr haltet mich ja ganz schön auf Trab«, sagte der Fahrer und rückte seine Sonnenbrille zurecht. »Ihr seid die einzige Anlaufstelle, die ich hier in der Ecke habe.«
»Kann ich mir vorstellen«, antwortete Dad und riss die Lasche des Kartons auf.
»Und bindet mal lieber euren Hund an«, beschwerte sich der Fahrer noch beim Einsteigen. »Heute früh hätte ich ihn nämlich fast erwischt.« Er ließ den Motor an und setzte rückwärts auf die Straße. Beim Abbiegen hupte er noch einmal kurz.
Dad sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Von welchem Hund redet er?«
»Das darf nicht wahr sein«, seufzte ich und beugte mich über das Geländer der Eingangsveranda. Natürlich lungerte neben der Einfahrt schon wieder dieser Hund herum, war ja klar. »Hau ab!«, rief ich ihm zu. »Verschwinde!« Er sah mich an, trottete dann quer über unsere Einfahrt und verschwand. Aber ich hatte das Gefühl, dass er schon sehr bald wieder da sein würde. »Bloß wieder dieser Köter«, erklärte ich, während das Klimpern der Hundemarke immer leiser wurde, »der denkt echt, dass er hierher gehört.«
»Ah«, machte mein Vater, sah aber noch ein bisschen verwundert aus, weil meine Antwort wohl nicht besonders erhellend war. Er ging zur Treppe, stieg die Stufen hinauf und lehnte sich an das Geländer. »Pass bloß auf, dass dein Bruder ihn nicht sieht.«
»Okay«, antwortete ich und folgte ihm auf die Veranda, wo er den Inhalt aus dem Karton schüttelte: einen dicken Stapel mit Unterlagen, von denen viele mit bunten Klebezetteln versehen waren. Bisher war jeden Tag so ein Paket für ihn angekommen, die offensichtlich alle mit dem Fall zusammenhingen, an dem er gerade arbeitete. Als ich von ihm wissen wollte, weshalb seine Kanzlei ihm die Unterlagen nicht einfach per E-Mail zukommen ließ, statt FedEx jeden Tag durch die Berge von Pennsylvania zu jagen, erklärte er mir, dass das aus Sicherheitsgründen so sein musste.
Seufzend ließ ich mich in den Sessel ihm gegenüber fallen und hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich nicht mal die eine Sache hinbekam, um die Dad uns gebeten hatte – nämlich nicht ständig im Haus rumzuhängen.
Schon am ersten Tag war deutlich geworden, dass Warren, Gelsey und ich nicht den geringsten Plan hatten, was wir mit uns anfangen sollten. Und
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