Vergiss den Sommer nicht (German Edition)
an meinen Geburtstag, die trostlose Feier dazu und die schlechten Nachrichten in Bezug auf Dad. Auf der Suche nach einer – beliebigen – Alternative zeigte ich wahllos auf das Erstbeste in der Vitrine. »Ein Dutzend davon, bitte.« Ich schaute genauer hin und musste feststellen, dass meine Wahl unglücklicherweise auf Haferkekse mit Rosinen gefallen war. Ich verabscheute Haferflocken in jeglicher Form, und ganz besonders dann, wenn sie einem jemand als Süßigkeit unterjubeln wollte. Gelsey war absolut kompromisslos, was Rosinen anging, und auch sonst mochte keiner in meiner Familie Rosinen sonderlich gern. Ich hatte also gerade Kekse verlangt, die bei mir zu Hause vermutlich kein Mensch anrühren würde.
»Aha.« Das war keine Frage. Henry sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Haferflocken?«
Sprachlos starrte ich ihn an. Völlig ausgeschlossen, dass sich Henry noch daran erinnern konnte, dass ich vor fünf Jahren Haferkekse verabscheut hatte. Das war schlichtweg unmöglich. »Ja«, sagte ich langsam. »Haferflocken. Wieso?«
»Nur so.« Er nahm eine der grünen Kuchenschachteln aus dem Regal hinter ihm und packte die Kekse hinein, immer zwei auf einmal. »Ich hatte gedacht, die magst du nicht.«
»Das weißt du noch?«, fragte ich ungläubig, während ich zuschaute, wie sich die grüne Schachtel allmählich mit den unleckersten Keksen der Welt füllte.
»Mein Vater nennt mich immer ›Elefant‹.« Ich konnte ihn nur fragend ansehen, weil ich keinen Schimmer hatte, was ich dazu sagen sollte, und er klärte mich auf: »Angeblich haben Elefanten ein extrem gutes Langzeitgedächtnis.« Er angelte die letzten beiden Kekse vom vorderen Rand des Tabletts. »Ich vergesse wirklich kaum was«, ergänzte er leise.
Gerade wollte ich nicken, als mir der Doppelsinn aufging. Wenn Henry noch wusste, welche Kekse ich vor fünf Jahren nicht mochte, hieß das natürlich auch, dass er meine anderen Aktionen nicht vergessen hatte.
Als er alle Haferkekse in die Schachtel geschichtet hatte, richtete er sich auf und schaute mich an. »Das waren nur noch elf«, sagte er. »Kann ich dir stattdessen noch einen mit Schokochips geben?«
»Ja, klar«, antwortete ich wahrscheinlich ein bisschen zu begeistert. Ich glaubte ein Lächeln zu entdecken, als er den einsamen Schokokeks zu den anderen in die Schachtel legte und den Deckel schloss. Er schob mir die Schachtel hin und kassierte ab. Mir fiel auf, dass er die Geldscheine ganz am Rand festhielt und die Münzen in meine offene Hand fallen ließ, als er mir das Wechselgeld gab, als ob er auf keinen Fall wollte, dass sich unsere Hände zufällig berührten. »Na dann«, sagte ich, als ich das Gefühl hatte, dass ich nichts mehr tun konnte, außer meine Kuchenschachtel zu nehmen und mich zu verkrümeln. »Vielen Dank.«
»Keine Ursache.« Sein Blick blieb an meiner Schulter hängen und er runzelte leicht die Stirn. »Was hat es eigentlich mit dem T-Shirt da auf sich?«, fragte er, während er meinen Baumwollbeutel musterte, aus dem eins von meinen neuen Arbeits-T-Shirts oben rausguckte.
»Oh«, sagte ich und schob es zurück in den Beutel, »ich hab mir nur gerade ’nen Job besorgt. Am Strandimbiss.«
»Ach so?« Das klang überrascht und diesmal war es wirklich einen Frage.
»Ja«, sagte ich leicht unsicher, doch dann fiel mir ein, dass er ja gar nicht wissen konnte, dass ich noch nie einen Job hatte und diesbezüglich ziemlich ahnungslos war. »Wieso?«
Henry wollte gerade etwas erwidern, als die Ladentür aufging und zwei Frauen hereinkamen, etwa so alt wie meine Mutter, bekleidet mit einer Art Kaftan und Sandalen. »Ach, nichts«, sagte er und schüttelte den Kopf. »Vergiss es.«
Die beiden Frauen standen jetzt hinter mir und begutachteten die Auslagen. Ich beschloss, dass es Zeit war zu gehen. »Mach’s gut«, sagte ich und nahm die grüne Schachtel.
»Und mach einen Bogen um den Wald«, erwiderte er mit einem Schmunzeln.
Ich sah ihm kurz in die Augen und war nicht sicher, ob er mir damit eine Brücke bauen wollte und ich einfach nur in den sauren Apfel beißen und mich für das, was ich angerichtet hatte, entschuldigen sollte. Zwar würden wir nie wieder Freunde sein, aber zumindest Nachbarn. Das hätte auch die gesamte Lage etwas entspannt – oder zumindest hätte ich dann das Gefühl gehabt, unseren Steg wieder benutzen zu können.
»Sonst noch was?«, fragte Henry, keineswegs unfreundlich. Ich spürte, wie die Frauen mich ansahen und auf eine Antwort
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