Vergiss die Toten nicht
nicht zu verkaufen. Aber leider ist er gestorben, bevor ein Vertrag abgeschlossen werden konnte.«
»Wie ich annehme, war das der Anlass Ihres Besuches bei seiner Witwe. Was ist, wenn Nell MacDermott sich jetzt weigert zu verkaufen?«
»Die Entscheidung liegt natürlich bei ihr.« Peter Lang erhob sich wieder. »Meine Herren, Sie müssen mich jetzt entschuldigen. Fal s Sie noch Fragen haben, wenden Sie sich an meinen Anwalt.« Er schaltete die Gegensprechanlage ein. »Mr.
Brennan und Mr. Sclafani möchten gehen«, teilte er seiner Sekretärin mit. »Bringen Sie sie bitte zum Aufzug.«
58
A
m Mittwochmorgen rief Gerti MacDermott Nell an. »Bist du nachher zu Hause?«, erkundigte sie sich. »Ich habe heute einen Streuselkuchen gebacken, den magst du doch so gerne.«
Nel saß an ihrem Schreibtisch. »Leidenschaftlich gern, Tante Gerti. Klar, komm nur vorbei.«
»Wenn du zu viel zu tun hast…«
»Ich schreibe an meiner Kolumne, aber ich bin fast fertig.«
»Um elf bin ich da.«
»Ich setze schon mal das Teewasser auf.«
Um Viertel vor elf schaltete Nell den Computer ab. Die Kolumne war mehr oder weniger druckreif, doch sie beschloss, den Text noch eine Weile liegen zu lassen und ihn dann endgültig zu überarbeiten.
In den letzten beiden Jahren hat mir das Schreiben Spaß gemacht, dachte sie, während sie Wasser in den Teekessel füllte.
Aber jetzt ist es eindeutig Zeit für einen Neuanfang.
Obwohl es eigentlich ein Rückschritt ist, überlegte sie weiter und holte die Teekanne aus dem Schrank. Zurück in eine Welt, in die sie hineingeboren war, zurück zu Wahlkampf, Wahlabend, dann der Einzug ins Kapitol, vorausgesetzt natürlich, sie bekam die nötigen Stimmen. Und zurück zu Überstunden und dem ständigen Pendeln zwischen Manhattan und Washington.
Wenigstens weiß ich, worauf ich mich einlasse, wenn ich gewinne, sagte sie sich. Menschen wie Bob Gorman halten den Druck nicht aus. Vielleicht hatte Mac ja Recht mit seiner Einschätzung, dass Gorman den Posten nur als Übergangslösung gesehen hat.
Um Punkt elf rief der Pförtner an und meldete, Ms.
MacDermott sei auf dem Weg nach oben. Mac hat mich und Gerti zur Pünktlichkeit erzogen, dachte Nell. Nur Adam kam immer zu spät, ein Wesenszug, der Mac in den Wahnsinn trieb.
»Du siehst schon viel besser aus«, lauteten Gertis erste Worte, bevor sie ihre Großnichte küsste. Sie hatte eine Kuchenform in der Hand.
»Zum ersten Mal seit fast zwei Wochen habe ich wieder eine Nacht durchgeschlafen«, erwiderte Nell. »Das hilft.«
»Ganz richtig«, stimmte Gerti ihr zu. »Ich habe gestern Abend versucht, dich anzurufen, aber du warst nicht da. Bonnie Wilson hat sich nach dir erkundigt.«
»Das ist aber nett von ihr.« Nel nahm den Kuchen von ihrer Großtante entgegen. »Komm rein. Wir trinken ein Tässchen Tee.«
Nel stellte fest, dass Gertis Hand mit der Teetasse leicht zitterte. Eigentlich nicht ungewöhnlich bei einer Frau in ihrem Alter, dachte sie. Lieber Gott, ich will sie und Mac noch lange um mich haben.
Sie erinnerte sich an Dan Minors Worte beim Essen: »Ich wünschte, ich hätte Geschwister. Vielleicht finde ich meine Mutter nie wieder. Und wenn meine Großeltern gestorben sind, habe ich keine Familie mehr.« Dann hatte er hinzugefügt:
»Meinen Vater zähle ich nicht mit. Leider hat er keinen Anteil an meinem Leben. Wir haben uns schon vor einer Weile aus den Augen verloren.« Er lächelte. »Natürlich habe ich noch eine sehr hübsche Stiefmutter und zwei Ex-Stiefmütter.«
Nel nahm sich vor, Mac anzurufen und ihm zu sagen, dass Dan sich bei ihm melden würde.
Um Punkt halb zwölf stand Gerti auf. »Ich muss los, Nel . Und noch etwas: Wenn du traurig bist und Gesellschaft brauchst, weißt du ja, wen du anrufen kannst.«
Nel umarmte sie. »Dich.«
»Genau. Hoffentlich hast du Bonnies Rat angenommen, Adams Sachen wegzugeben. Sie hält es für sehr wichtig.«
»Ich habe schon mit dem Zusammenpacken angefangen.«
»Brauchst du Hilfe?«
»Eigentlich nicht. Der Hausmeister will mir ein paar Kartons besorgen. Ich lade sie ins Auto und bringe sie am Freitagmorgen weg. Das ist doch immer noch der Tag, an dem sie Spenden annehmen, oder?«
»Richtig. Und am Freitag bin ich auch dort, weil ich Dienst habe und die Sachen durchsehen muss.«
Eine kleine Kirche an der Ecke First Avenue und 85. Straße betrieb einen Secondhand-Laden, in dem Gerti als freiwillige Helferin arbeitete. Nell brachte all ihre abgelegten Kleider dorthin. Der Laden nahm
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