Verliebt, verlobt, verflucht
damit er von Artus abließ, doch sie blieb sitzen und fühlte sich völlig machtlos. Plötzlich wurde das Wasser ruhig. Natalie beobachtete atemlos die Stelle, an der Artus und Cévil das letzte Mal aufgetaucht waren, und selbst die Schwäne schienen gespannt abzuwarten. Ein hellblauer Blitz durchzuckte die Wasseroberfläche, die Schwäne flogen aufgeregt in die Höhe. Natalie saß ängstlich im Boot, das Wasser um sie herum peitschte auf. Dann herrschte wieder gespenstische Stille, bis ein Blitz, diesmal feurig rot, das Wasser durchzuckte. Natalie atmete gespannt, es herrschte wieder für einen Moment Stille. Kein weiterer Blitz folgte, doch wenige angstvolle Minuten später erreichten zwei prustende Gestalten das Ufer. Es waren Artus und Cévil. Der Kampf begann von Neuem und Natalie musste hilflos mitansehen, wie sich die beiden mit Blitzen attackierten. Sie begann zu weinen. Was sollte sie nur tun? Sie konnte niemanden um Hilfe rufen, da sie allein in einem großen Teich in einer Gondel saß, das Ufer weit weg war und die Polizei Artus sofort verhaften würde.
Ein gellender Schrei ertönte. Der Drache erschien am Ufer. Artus rief ihm etwas Unverständliches zu, dann sah Natalie das Ungetüm auf sich zukommen. Die riesigen Klauen kamen immer näher, und rissen Natalie schließlich samt der Gondel in die Luft. Siekreischte auf, als sie den Teich unter sich kleiner werden sah. In Todesangstklammerte sie sich an der Gondel fest und spürte ihr Herz bis zum Hals schlagen. Sie wurde in einer Gondel, von einem Drachen getragen, durch die Luft geflogen! Ihr kam es vor, als wären Stunden vergangen, als der Drache endlich wieder zum Sturzflug ansetzte. Natalie schrie wie beim Hinflug aus Leibeskräften, bis sie schließlich das sanfte Flügelschlagen und eine bekannte Stimme vernahm.
»Hatten Sie einen guten Flug, mein Fräulein?«, fragte das Feuermännchen, das munter auf dem Fensterbrett ihres Giebelfensters saß. »Oh, wie ich sehe, hat Zanirra Sie in eine Gondel gesteckt. Das nenne ich eine gute Idee.«
Natalie keuchte und kletterte sofort aus der Gondel in ihr Turmzimmer. Sie heulte vor Erleichterung, als sie ihren geliebten Teppichboden unter ihren Füßen spürte.
»Ich lebe«, stieß sie ungläubig aus und Tränen rannen ihre Wange hinab. Zum Feuermännchen gewandt sagte sie: »Artus steckt in Schwierigkeiten. Ein Elb hat ihn attackiert. Sie kämpfen am Ufer, du musst ihm helfen!«
»In Ordnung, ich werde sofort zu meinem Meister eilen«, sagte das Feuermännchen und lief in die Laterne, wo es sofort von der Flamme verschluckt wurde.
Natalie krabbelte in ihr Bett und hörte, wie sich der Drache von ihrem Fenster entfernte und mit einem gellenden Schrei in die Nacht stürzte. Hatten ihre Eltern etwas bemerkt? Natalie horchte in die Stille. Sie hörte Lärm im Treppenhaus. Hastig streifte sie ihre Kleider ab und pustete die Kerze aus, um sich anschließend schlafend zu stellen.
Die Tür wurde geöffnet.
»Hattest du einen Albtraum, Süße«, hörte sie den sanften Flüsterton ihrer Mutter.
Doch Natalie stellte sich weiter schlafend, bis ihre Mutter das Zimmer wieder verließ. Sie wartete noch fünf Minuten, bis sie keinen Laut mehr vernahm, und stürzte dann zu ihrer Drachenledertasche. Hastig zog sie ihre Schiefertafel heraus und kritzelte mit zittrigen Fingern: »Komm morgen schon um halb acht zum Schulhof, es gibt viel zu erzählen!« Hoffentlich würde die Nachricht Gingin nicht wecken, aber für gewöhnlich schlief diese wie ein Stein. Natalie krabbelte in ihr Bett zurück und kuschelte sich an das Wärmekissen, das Schweinsnase ihr vorhin gebracht hatte. Es war noch ein wenig warm und beruhigte Natalie. Das Bild von Artus tauchte in Gedanken vor ihr auf, seine süßen Murmelaugen und sein Lausbubengrinsen. Sie spürte, wie ihr Herz pochte.
»Hoffentlich geht es ihm gut«, dachte sie und fiel erschöpft in einen tiefen Schlaf.
12. Kapitel
Das Geheimnis
Natalie erreichte den Schulhof um halb acht. Noch standen Schüler in Trauben zusammen, um vor dem Schulbeginn ein wenig zu schwatzen, doch einige gingen bereits in Richtung Schultor. Natalie schritt eilig über das Backsteinpflaster, stolperte über einen hervorstehenden Stein und fiel der Länge nach hin.
Das Gelächter einer vorbei ziehenden Mädchengruppe ertönte. Natalie hob den Kopf und sah Gingins knallrote Stiefel auf sich zukommen.
»Guten Morgen, du kleiner Tollpatsch«, begrüßte ihre Freundin sie fröhlich und half ihr auf die
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