Verliebt, Verrückt, Verheiratet: Roman
Fahrbahn mit frischem Kies eingeebnet war. Wenige Minuten später stockte ihr der Atem, als das Haus in Sichtweite kam.
Es war ein elegantes modernes Gebäude mit Stützmauern aus weißem Beton, steinernen Fenstersimsen und viel Glas. Jede Form trug die Handschrift von Liam Jenner. Während sie aus dem Auto stieg und in Richtung der Nische ging, in der sich die Haustür befand, fragte sie sich, wo er einen Architekten aufgetrieben hatte, der begnadet genug war, um mit ihm zusammenzuarbeiten.
Sie warf einen Blick auf die Uhr und sah, dass sie genau eine halbe Stunde zu spät war für dieses befohlene Stelldichein. Genau wie sie es geplant hatte.
Die Tür öffnete sich. Sie erwartete, nun von ihm wegen ihrer Unpünktlichkeit angeblafft zu werden und war regelrecht enttäuscht, als er nur nickte und einen Schritt zurücktrat, um sie hineinzulassen.
Sie hielt den Atem an. Die Glaswand gegenüber dem Eingang bestand aus mehreren unregelmäßigen Scheiben, vor denen in etwa drei Metern Höhe ein schmaler eiserner Steg verlief. Durch das Glas hatte man einen weiten Blick über See, Steilufer und Wald.
»Was für ein erstaunliches Haus.«
»Danke. Möchten Sie etwas trinken?«
Seine Frage klang höflich, aber noch mehr beeindruckte sie die Tatsache, dass er sein farbverschmiertes Jeanshemd samt Shorts gegen ein schwarzes Seidenhemd und eine hellgraue
Bundfaltenhose eingetauscht hatte. Paradoxerweise unterstrich diese bürgerliche Kleidung nur noch den Ausdruck von kompromissloser Entschlossenheit in seinem zerfurchten Gesicht.
Sie lehnte das Angebot ab. »Ich hätte allerdings gerne eine Führung.«
»Meinetwegen.«
Das Haus schmiegte sich in zwei versetzten Ebenen an das Gelände an. Auf der größeren Ebene befanden sich ein offener Wohnbereich, Küche, Bibliothek und ein Essbereich, der wie ein Erker aus dem Gebäude herausragte. Auf der unteren Ebene waren mehrere kleine Schlafzimmer untergebracht. Der Steg, den sie beim Hereinkommen gesehen hatte, führte zu einem glasverkleideten Turm, in dem sich nach Liams Auskunft sein Atelier befand. Sie hoffte, er würde ihr einen Blick hinein gestatten, aber er führte sie nur in sein Schlafzimmer, einen Raum, der eine beinahe klösterliche Einfachheit ausstrahlte.
Überall hingen großartige Kunstwerke, und Liam kommentierte sie mit Hingabe und Kennerschaft. Ein riesiges Jasper Johns Gemälde hing nicht weit von einer kontemplativen Farbkomposition in Blau- und Beigetönen von Agnes Martin. In der Nähe des Durchgangs zur Bibliothek flackerte eine der Neonskulpturen von Bruce Nauman. Gegenüber hing ein Werk von David Hockney, daneben ein von Chuck Close gemaltes Porträt von Liam. Ein eindrucksvolles Ölgemälde von Helen Frankenthaler nahm eine ganze lange Wand des Wohnbereichs ein, und eine Skulptur aus Stein und Holz, die an einen Totempfahl erinnerte, bestimmte den Eingangsbereich. Die besten zeitgenössischen Künstler der Welt waren in diesem Haus mit Werken vertreten. Alle außer Liam Jenner.
Lilly wartete das Ende ihres Rundgangs ab, und als sie wieder im zentralen Wohnbereich angekommen waren, fragte
sie: »Warum haben Sie keins von Ihren eigenen Bildern aufgehängt?«
»Wenn ich mir meine Werke auch außerhalb des Ateliers anschauen muss, komme ich ja nie von meiner Arbeit weg.«
»Verständlich. Aber sie kämen in diesem Haus gut zur Geltung.«
Er starrte sie längere Zeit an. Dann verzogen sich die scharfen Linien seines Gesichts zu einem weichen Lächeln. »Sie sind wirklich ein Fan von mir, nicht wahr?«
»Das kann man wohl sagen. Vor ein paar Monaten wollte ich eines Ihrer Bilder ersteigern - Composition #3. Mein Finanzberater hat mich schließlich gezwungen, bei zweihundertfünfzigtausend auszusteigen.«
»Unanständig, nicht wahr?«
Er schien sich so darüber zu freuen, dass sie lachen musste. »Sie sollten sich schämen. Es war keinen Pfennig mehr wert als zweihunderttausend. Und mir wird immer klarer, dass ich Ihnen keine Komplimente mehr machen sollte. Sie sind wirklich von einer unglaublich anmaßenden Arroganz.«
»Es macht das Leben leichter.«
»Hält die Massen auf Distanz?«
»Meine Privatsphäre ist mir wichtig.«
»Was wiederum erklärt, warum Sie so ein außergewöhnliches Haus in der Wildnis von North Michigan gebaut haben und nicht in Big Sur oder Cap d’Antibes.«
»Sie kennen mich schon ziemlich gut.«
»Sie sind wie eine Diva. Ich bin sicher, dass meine Privatsphäre weit öfter verletzt wurde als Ihre, aber dennoch bin
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