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Verlorene Eier

Verlorene Eier

Titel: Verlorene Eier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Scarlett
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ein hübsches Rot aus der Glam-Shine-Crystals-Serie von L’Oréal.
    »So. Bitte.«
    Das bin ich. Ich mit Make-up. Ich verziehe das Gesicht. (Der Amorbogen ist wirklich sehr gelungen, das muss ich ihm lassen. Ich wusste gar nicht, dass ich einen so schön geschwungenen Mund besitze.)
    »Und jetzt die Nägel.«
    Tiefer Seufzer. »Muss das sein?«
    Mein Protest scheint ihn zu kränken. »Genauso wie in allen anderen Lebensbereichen steht und fällt auch hier alles mit den Details. Sieh her und lerne. Schon bald wirst du all das allein können müssen.«
    Er nimmt meine Hand und legt sie flach auf den Schminktisch. Dann sucht er einen rosigen Nagellack aus und macht sich summend an die Arbeit. (Diesmal ist es Some Enchanted Evening , wenn ich mich nicht irre).
    »Mir fällt auf, dass du die Nägel nicht bis ganz außen bemalst, Keith.« Und das stimmt auch – er malt lediglich einen breiten Pinselstrich, so dass links und rechts ein schmaler Rand übrig bleibt.
    »Sehr gut bemerkt. Das lässt den Nagel länger wirken. Und nicht so quadratisch. Also … was willst du anziehen?«
    Keith geht an den endlosen Kleiderreihen vorbei, zupft hier an einem Ärmel, prüft da Stoff und Farbe. Dann zieht er eine bodenlange Samtrobe in einem Orangeton heraus, den man in der Natur unter Garantie nirgendwo findet. Er hält das Kleid vor sich und betrachtet es mit schief gelegtem Kopf.
    »Was sagen wir hierzu? Zu …«
    »Viel zu …«
    »Du hast recht. Wir nehmen etwas Klassisches, aber mit Pfiff.« In einer perfekten Pirouette pflückt er drei Kleider von der Stange. »Das hier, das da und … dieses.« Er hängt sie frontal an die Stange, wie man es aus den schicken Boutiquen kennt. Ich erinnere mich dunkel an die Zeit, als ich noch in schicken Boutiquen eingekauft habe.
    »Der schwarze Rollkragenpullover ist ein absolutes Musthave in jeder Transen-Garderobe«, erklärt Keith. »Weil er gleich mehrere Sünden auf einmal verdeckt, von denen der Adamsapfel noch die kleinste ist. Ich habe mich für einen schlichten schwarzen Rock bis zum Knie entschieden, den ich mit einer Hahnentrittjacke in Kastenform aufpeppe – schlicht, elegant, professionell-konservativ, aber nicht langweilig.« Er rät mir zu einem Paar hochhackiger Stiefel anstelle von Pumps, mit dem Argument, dass Stiefel nicht nur mehr Stabilität geben, sondern auch noch die »strammen Männerwaden« besser kaschieren und darüber hinaus »nie aus der Mode kommen«. Er nimmt ein Bettelarmband und irgendein anderes dazugehöriges Schmuckstück aus einer Kommodenschublade, das wie eine abstrakte Form an einer Silberkette aussieht und »den Blick aufs Dekolleté lenkt«.
    »Was ist mit … du weißt schon?« Ich lege mir die Hände auf die Brust und drücke ein paarmal zu.
    »Mit den Titten?«
    »Brauche ich welche?«
    Keith legt den Kopf schief. Ich glaube, ihm liegt ein Kommentar auf der Zunge von wegen, dass ich in dieser Körperregion schon genug Fleisch am Knochen habe. »Wieso eigentlich nicht?«, sagt er stattdessen. »Wir können genauso gut das volle Programm fahren.«
    Er zieht einen reich verzierten rosa BH und zwei schwabblige fleischfarbene Gummiprothesen aus einer Kommodenschublade, die er mit dem Wort »Hühnertitten« umschreibt. Die Dinger weisen die Konsistenz echter Frauenbrüste auf, wenn man davon absieht, dass sie merkwürdig glitschig und kalt sind. Er zeigt mir, wie ich sie korrekt in die BH -Schalen einlegen muss.
    »Aber das sind doch deine, oder, Keith?«
    »Nein, Bill. Meine derzeitige Ausstattung in dieser Region ist … etwas …« Er hüstelt. »Etwas größer und anders geformt.«
    Während Keith den Raum verlässt, um eine weitere wichtige Mitteilung an sein Büro zu schicken, ziehe ich mein Hemd aus.
    Es heißt immer, man soll alles einmal ausprobieren, bis auf die berühmten beiden Ausnahmen (Inzest und Volkstanz). Und wie wenige Dinge gibt es im fortgeschrittenen Alter, die man nicht schon mindestens eine Million Mal gemacht hat. Doch in einer Wohnung in der Nähe der Baker Street zu stehen und einen BH anzulegen ist definitiv eine Premiere für mich. Obwohl ich im Laufe der Jahre zahllose Frauen dabei beobachtet habe, wie sie diese Aufgabe erfolgreich absolvierten, stelle ich fest, dass mir dabei wesentliche Detailkenntnisse entgangen sind, beispielsweise, wie man dieses Mistding zubekommt. Allmählich beschleicht mich die düstere Vorahnung, dass ich diesen Verschluss in diesem Leben nicht mehr erreichen werde, ohne mir dabei das

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